Nur die Kirche ist geblieben
Wenn man auf der A7 in Hamburg Richtung Norden fährt, rückt kurz vor dem Elbtunnel auf der rechten Seite nicht nur die imposante Köhlbrandbrücke ins Blickfeld, sondern auch eine Kirche, die hier im Industriehafengebiet irgendwie verloren und aus der Zeit gefallen scheint.
Und das ist sie tatsächlich. Die St. Gertrud-Kirche ist der letzte Überrest des Dorfes Altenwerder, das hier seit dem 13. Jahrhundert auf einer Elbinsel, einem sogenannten Werder, lag.
Bis zu 2.500 Menschen lebten hier, ehe 1961 die Stadt Hamburg mit dem Gesetz zur Hafenerweiterung erst ein Bauverbot erließ und 1973 schließlich die Räumung des Ortes beschloss. Die Stadt drängte die Bewohner dazu, wegzuziehen und erhöhte den Druck auf die verbliebenen Einwohner, indem die aufgekauften Häuser sofort abgerissen wurden. Fotos aus den 1980er Jahren zeigen, wie Altenwerder mehr und mehr verfiel.
Das Dorf wurde vom Hafen verschlungen
Von den Straßen, die man auf alten Karten noch sehen kann, ist nicht viel geblieben. „Am Altenwerder Kirchtal“ und „Altenwerder Haupstraße“ – das klingt beschaulich, ist es aber nicht. Hier sind kaum Menschen zu sehen. Stattdessen viel Beton, Lagerhallen von Speditionen und Logistikunternehmen und eine riesige Abstellfläche für Pkw, die exportiert werden sollen.
Und da wo früher der Ortskern von Altenwerder mit Post und Anlegestelle der Hafenfähren war, herrschen nun die Maschinen. Nachdem die letzten Bewohner Altenwerder 1998 verlassen hatten (heute wohnen hier irgendwo offiziell wieder drei Menschen) wurde eines der modernsten Container-Terminals der Welt gebaut. Seit 2002 können gleichzeitig vier Schiffe der Postpanamax-Klasse gleichzeitig ent- oder beladen werden.
Und mitten im grauen Nirgendwo liegt dieser vielleicht ein Kilometer lange und hundert Meter breite Grünstreifen, eingezwängt zwischen Lagerhallen, der A7 und Güterbahngleisen. Dort steht die 1831 eingeweihte und unter Denkmalschutz stehende St. Gertrud-Kirche und wirkt neben den fast 200 Meter hohen Windkraftanlagen ganz klein. Die Kirche gehört – wie das ganze Gelände drumherum – der Hamburg Port Authority.
Die Thomasgemeinde Hausbruch-Neuwiedenthal-Altenwerder lässt hier aber weiterhin alle zwei Wochen Gottesdienste stattfinden. Auch um die 30 Hochzeiten finden hier zu normalen Zeiten pro Jahr statt. Und zu Weihnachten ist die Kirche regelmäßig mit 500 Besuchern „ausverkauft“.
So ganz spurlos ist der Zahn der Zeit auch an der Gertrudkirche nicht vorbeigegangen. Ein Eingang und das steinerne Eingangstor zum Kirchfriedhof sind wegen der Gefahr herabstürzender Steine dauerhaft gesperrt.
Aber es wirkt idyllisch hier. Es ist ein kleines Stück Wildnis mit Wassergräben, Schmetterlingen und Vogelgezwitscher, das sich mit dem entfernten Dröhnen des Hafens vermischt.
Kein Wunder, dass auch mal ein Lkw in der Sackgasse vor der Kirche parkt und der Fahrer seine Pause lieber hier als am trubeligen „Trucker Treff“ direkt an der Autobahnzufahrt verbringt.
Abstecher zum Aussichtspunkt
Davon, dass Altenwerder mal eine Insel war, erahnt man allenfalls noch etwas, wenn man auf dem Moorburger Elbdeich entlang zu einem der Hafen-Aussichtspunkte läuft.
Von hier aus kann man dann aus der Entfernung dem Entladen der Containerschiffe zuschauen und über den Fortschritt sinnieren, der das alte Fischerdorf Altenwerder geschluckt hat.
Wie kommt man nach Altenwerder?
Mit dem HVV
Der 250er Bus fährt ab Altona alle acht bis zwölf Minuten in 20 Minuten (bei Stau im Elbtunnel natürlich gerne auch mal länger) bis zur Haltestelle „BAB-Auffahrt Waltershof“. Von dort sind es noch knapp 20 Minuten Fußweg bis zur Gertrudkirche.
Mit dem Fahrrad
Die Hafenerlebnisroute führt vom Alten Elbtunnel oder von Wilhelmsburg aus über den Moorburger Elbdeich bis zur Gertrudkirche.
Mit dem Auto
Über die A7-Anschlussstelle Waltershof.