Drei Tage Lissabon
Ich war vor ein einigen Jahren mal kurz in Lissabon, als ich dort auf dem Rückweg aus Marokko ein paar Stunden Aufenthalt hatte. Dabei hat mir diese seltsame Stadt mit den vielen Hügeln und Straßenbahnen so gut gefallen, dass ich unbedingt nochmal für einen etwas längeren Aufenthalt hinwollte.
Und diese Gelegenheit ergab sich jetzt auf der Reise von Sevilla nach Porto. Da führt einfach kein Weg an der portugiesischen Hauptstadt vorbei. Aber auch nach diesmal drei Tagen in Lissabon habe ich noch nicht das Gefühl, alles gesehen zu haben – also muss ich irgendwann nochmal hin. Es gibt Schlimmeres.
Wer übrigens noch auf der Suche nach einer günstigen, aber zentral gelegenen Unterkunft ist, dem empfehle ich ein Einzelzimmer (gutes Bad, bodentiefe Fenster, Parkettboden und Espressomaschine) im Inn Possible Lisbon Hostel (*). Um das einfache Do-it-yourself-in-der-Küche-Frühstück sollte man allerdings einen weiten Bogen machen.
Die Top 10 der Sehenswürdigkeiten
Viele interessante Sehenswürdigkeiten habe ich bestimmt einfach übersehen – oder Dinge für langweilig angesehen, die für andere Besucher ihr Highlight von Lissabon sind.
Aber dies sind meine – wie immer völlig subjektiven – Highlights in Lissabon.
Top 1:
Mosteiro dos Jerónimos
Das Mosteiro dos Jerónimos, das Kloster der Hieronymiten (der Orden des Heiligen Hieronymus), wurde ab 1502 erbaut und gilt als schönstes Gebäude der Manuelinik, einer portugiesischen Variante der Spätgotik, benannt nach König Manuel I.
Schon von außen ist es mit seiner 300 Meter langen, reich verzierten Fassade aus Kalkstein sehr beeindruckend. Im Inneren wird es aber noch besser. Eine wunderschöne Klosterkirche und ein stimmungsvoller Kreuzgang haben das Gebäude, das seit 1983 auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO steht, zu meinem Lieblingsplatz in Lissabon gemacht.
Ein Besuch des zweistöckigen Kreuzganges empfiehlt sich vor allem bei Sonnenschein, um die Schattenspiele rund um den 55 x 55 Meter großen Innenhof genießen zu können. Hier versteht man sofort, warum das Kloster 2007 als Ort für die Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon zur Neuordnung der EU ausgewählt wurde – viel mehr Repräsentativität eines Gebäudes geht einfach nicht.
Die Klosterkirche, die Igreja Santa Maria de Belém, besticht dank ihrer schlanken, ebenfalls verzierten, Säulen durch eine erstaunliche Leichtigkeit. Das Gewölbe scheint in 25 Metern Höhe zu schweben, die Übergänge von den Säulen in die Gewölbe sind Kunstwerke für sich. Und trotzdem ist die Statik nicht zu kurz gekommen. Während Lissabon durch ein schweres Erdbeben 1755 fast vollständig zerstört wurde, hat diese Kirche das Beben überstanden.
Erst lange nachdem das Kloster 1834 in ein Waisenhaus umgewandelt wurde – und jetzt auch das Marinemuseum beherbergt – fand übrigens auch der Seefahrer Vasco da Gama (im Gegensatz zu Kolumbus hat er wirklich den Seeweg nach Indien gefunden) hier 1880 seine letzte Ruhestätte.
Imposantes Kirchenschiff der Igreja Santa Maria de Belém Hohe Säulen und feingliedrige Architektur Sarkophag von Vasco da Gama
Top 2:
Die Straßenbahnen
Die alten Straßenbahnen, die in der Regel nur aus einem Waggon bestehen, um auch die engen Straßen der Altstadt bewältigen zu können, sind so prägend für das Stadtbild von Lissabon, dass sie auch in Miniaturform an jeder Ecke als Souvenir verkauft werden.
Das heutige Straßenbahnnetz Lissabons umfasst – nach der Stilllegung einiger Linien in den 1990er Jahren – noch sechs Linien mit einer Gesamtlänge von 31 Kilometern.
Die im Einsatz befindlichen Wagen wurden zwischen 1935 und 1940 gebaut und sind Mitte der 1990er Jahre modernisiert worden. Und so sind die Straßenbahnen eben auch eine beliebte Touristenattraktion. Insbesondere die Linie 28, die einige der nachgenannten Highlights von Lissabon verbindet (Cemitério dos Prazeres, Basílica da Estrela, Praça do Comércio, Sé de Lisboa, Alfama) und es sogar zu einem eigenen, recht umfangreichen Wikipedia-Eintrag gebracht hat.
Wer von den alten Straßenbahnen nicht genug bekommen kann, für den bietet Lissabon auch noch ein Straßenbahnmuseum: Das Museu da Carris.
Top 3:
Spaziergang im Viertel Alfama
Spaziergänge können in Lissabon wegen der vielen Hügel und Berge schnell anstrengend werden. Ein Rundgang durch das Viertel Alfama sollte man sich aber auf keinen Fall entgehen lassen. Neben dem Kloster São Vicente, der Sé de Lisboa und dem Castelo (s.u.) gibt es noch einiges mehr zu sehen.
Vor allen Dingen kann man hier durch enge und verwinkelte Altstadtgassen stromern. Das liegt auch daran, dass sich hier das ursprüngliche Zentrum Lissabons befand und viele Häuser das große Erdbeben im 18. Jahrhundert unbeschadet überstanden hatten.
Außerdem bieten sich hier immer wieder schöne Aussichtspunkte auf Lissabon und den Tejo. Und wer mag, kann auch einen Abstecher zur Igreja de Santa Engrácia machen, deren Bau als Barockkirche im 17. Jahrhundert begonnen wurde, die aber erst im 20. Jahrhundert fertiggestellt und nie als Kirche genutzt wurde. Sie ist heute das portugiesische Pantheon.
Irgendwo in Alfama: Ein Bild wie aus der Vespa-Werbung Man kann in Alfama natürlich auch immer mal wieder in die Straßenbahn hüpfen Auch mal rustikaler Charme
Top 4:
Mosteiro de São Vicente de Fora
Sehr positiv war ich vom Kloster São Vicente de Fora überrascht, dessen Bau 1147 begonnen wurde und das dem Märtyrer St. Vinzenz gewidmet ist.
Sein heutiges Erscheinungsbild stammt aus dem späten 16. Jahrhundert und die dekorativen blau-weißen Kacheln, die unzählige Wände schmücken, wurden im 18. Jahrhundert angebracht.
Dort wird zum einen die Geschichte des Klosters und die Belagerung der Stadt 1147 erzählt, aber auch die Fabeln des französischen Schriftstellers Jean de La Fontaine visualisiert.
Absolut atemberaubend ist schließlich die Sakristei. Was aus der Entfernung nach gemalten Mustern an den Wänden aussieht, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als intarsienartige Mosaike aus verschiedenen Marmorarten.
Ein Aufstieg auf das Flachdach der zum Kloster gehörenden Kirche lohnt sich übrigens auch – zum einen, um den hübschen Innenhof nochmal von oben zu sehen, zum anderen für den Blick auf das Pantheon.
Sieht aus wie gemalt… … es sind aber Mosaike
Top 5:
Cemitério dos Prazeres
Nachdem ich mir ja zuletzt in Hamburg und Paris Friedhöfe besucht hatte, wollte ich mir auch den „Friedhof der Freuden“, den Cemitério dos Prazeres anschauen. Er gilt als einer der schönsten und berühmtesten der Welt und erhielt seinen Namen wohl, nachdem er 1833 – während einer Cholera-Epidemie – auf dem Gelände eines ehemaligen Ausflugsparks angelegt wurde.
Dank der wohlhabenden Erstbezieher aus den umliegenden Vierteln besteht der Friedhof heute vorwiegend aus Familiengrüften, die wie Einfamilienhäuser an den rund 80 Wegen und Alleen stehen. Manchmal kann man durch die Vorhänge der Glastüren schauen und mehrere Särge sehen. Aber ausgerechnet das Familiengrab des Grafen Pedro de Sousa Holstein habe ich übersehen – 200 Familienmitglieder sollen hier bestattet sein, was es zum größten Familiengrab Europas macht.
Ein Grab wie eine Kirche Muss man auch wollen: Grabstätte mitten auf der Kreuzung Hübsche Familiengrabstätten
Es gibt aber auch sonst jede Menge interessanter Grabstätten zu sehen. Dazu gehört auch jene, die mit Kirchturm, Sonnenuhr und kleinem Vordach wie eine kleine Kapelle oder Kirche anmutet. Am liebsten waren mir die pittoresken Grabstätten, die mit buntem Eisentor, häufig Spitzdach, aber immer etwas anderer Architektur in Reih und Glied an den kleinen Wegen mit dem aufgeplatzten Straßenbelag standen.
So richtig ruhig sind diese letzten Ruhestätten allerdings nicht – sie liegen dummerweise mitten in der Einflugschneise des Flughafens von Lissabon.
Stairway zu Heaven. Oder so. Gilt die Broken Glas-Theorie auch für Friedhöfe? Irgendwie auch eine Art Einfamilienhäuser
Top 6:
Praça do Comércio
Die Praça do Comércio ist gar kein Handels- oder Marktplatz, wie der Name vielleicht vermuten lässt, sondern einfach nur ein seltsam leer wirkender, rechteckiger Platz mit Seitenlängen von 170 Metern.
Dominiert wird er von einem Triumphbogen, dem Arco da Rua Augusta, der den Weg freigibt in die nach dem Erdbeben von 1755 neu aufgebauten Innenstadt Lissabons. Der damals zerstörte Königspalast wurde nicht wieder aufgebaut, so dass sich hier nun eine große freie Fläche ergibt und sich die Stadt dem Tejo zu öffnen scheint.
Von hier aus kann man auch irgendwo in der Ferne die über zwei Kilometer lange Ponte 25 de Abril sehen, die als Double der Golden Gate Bridge in San Francisco durchgehen könnte.
Ich mochte an der Praça do Comércio, dass sie zwar als eine der Hauptsehenswürdigkeiten Lissabons gilt, aber durch ihre Leere doch so wenig Magie ausstrahlt. Vielleicht wirkt hier noch atmosphärisch nach, dass der Platz bis in die 1990er Jahre als Parkplatz genutzt wurde.
Eingang zur „Unterstadt“: Der Arco da Rua Augusta Ein Hauch von Golden Gate Bridge: Die Ponte 25 de Abril
Top 7:
Museu Nacional dos Coches
Das Museu Nacional dos Coches, das nationale Kutschenmuseum, habe ich eher durch Zufall auf dem Stadtplan gesehen und es hat, eben weil es ein sehr spezielles Thema zum Hauptgegenstand gemacht hat, sofort mein Interesse geweckt.
Außerdem ist mir erst hier klar geworden, dass die spanischen und portugiesischen Bezeichnungen des Autos („coche“), das englische „coach“ für Waggons oder Reisebusse und das deutsche „Kutsche“ alle die gleiche Wortherkunft haben. Und zwar im kleinen ungarischen Städtchen Kocs, wo im 15. Jahrhundert die Kunst des Baus gefederter Kutschen wiedererfunden wurde.
Irgendwie kam ich mir schon ein bisschen seltsam vor, mir zig Kutschen anzuschauen – bis mir klar wurde, dass Oldtimer-Ausstellungen oder die Internationale Automobilausstellung nicht weniger bizarr sind.
Und mit etwas Fantasie kann man sich auch vorstellen, wie Kutschenfans aus aller Welt nach Lissabon reisen, um dort über die Unterscheidungsmerkmale der Gefährte zu fachsimpeln: Die Anzahl der Achsen, die Art der Anspannung, die Position des Wagenlenkers, die Sitzordnung der Passagiere, die Verdecke, die Bremsen – und nicht zu vergessen: die Art der Federung.
Ein schön nerdiges Museum für alle, die hinterher einfach mal bei passender Gelegenheit einwerfen wollen, das nicht VW den Phateon erfunden hat.
Kutsche für Gefangenentransporte Kleine Reisekutsche der königlichen Familie Portugals Fest verbaute Einstiegshilfe an der Kutsche des Patriarchen von Lissabon
Gut gefedert, breiter Achsstand: So reiste Maria Francisca von Savoyen Da schau an: ein leichtes Cabrio aus dem 19. Jahrhundert War im 18. Jahrhundert wohl angesagt: Die Kutsche von König João V.
Top 8:
Sé de Lisboa
Direkt an der Strecke der Straßenbahnlinie 28E liegt auch die Hauptkirche Lissabons, die Sé de Lisboa. Ihr Bau begann direkt nach der christlichen Eroberung der Stadt 1148 – auf den Grundmauern einer Moschee, die dafür abgerissen wurde.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde hier so ziemlich in jedem Baustil an der Kathedrale gewerkelt – so ergibt sich außen die Westfassade im Stil der Romanik. Im Innenraum dominieren wieder Romanik und Gotik, nachdem im 19. und 20. Jahrhundert viele klassizistische und barocke Elemente zurückgebaut wurden.
In der Schatzkammer der Kathedrale findet sich auch eine 17 Kilogramm schwere, mit 4.120 Edelsteinen besetzte, goldene Monstranz aus dem 18. Jahrhundert. Und der Ankleideraum des Patriarchen ist mit eigenem Barockaltar, Marmorwänden und jeder Menge Gemälden auch nicht gerade ein Ort der Demut oder Sparsamkeit – die Kathedrale ist somit eher ein Statement der katholischen Kirche.
Top 9:
Castelo de São Jorge
Wer klassische Burgen mit Wachtürmen, Mauern und einem Burggraben mag, wird im Castelo de São Jorge auf seine Kosten kommen. Die Burg wurde von den Mauren erbaut und 1147 von Alfons dem Eroberer eingenommen. Bis zur Zerstörung im Erdbeben von 1755 wurde das Castelo als Königsberg genutzt.
Heute lohnt sich der Besuch, um ein wenig Cardiotraining beim Auf und Ab auf den Treppen zu den Türmen zu absolvieren und die Aussicht auf Lissabon zu genießen.
Top 10:
Basílica da Estrela
Nur einen kurzen Spaziergang vom Friedhof dos Prazeres entfernt steht die Basílica da Estrela (mit vollem Namen: Real Basílica e Convento do Santíssimo Coração de Jesus) mit ihren zwei Glockentürmen, die zugleich ein schönes Hintergrundmotiv für die Straßenbahn abgibt.
Wenn man vor der Fassade der Kirche aus dem späten 18. Jahrhundert steht, kann man die Kuppel, die sich über dem Altarraum erhebt, gar nicht sehen. Wenn man aber das (Flach-) Dach der Kirche besteigt, kann man von oben in die Kuppel mit ihrer umlaufenden Brüstung eintreten und die Marmorböden und -wände in voller Pracht bewundern. Dabei sollte man dann allerdings schwindelfrei sein.