Der Weg ist das Ziel

Ja, „Der Weg ist das Ziel“ klingt wahnsinnig abgedroschen und nach Kalenderspruch-Lebensweisheit, aber es stimmt eben doch ganz oft. Zum einen beim Bikepacking, zum anderen aber auch bei Fahrten durch spektakuläre Landschaften.

Warnschild am Straßenrand, dass auf eine kurvenreiche Strecke hinweist, im Hintergrund schneebedeckte Berge
Wilde Fahrt nach Swanetien

Und eine solche Fahrt ist die von Zugdidi (oder auch Sugdidi) nach Mestia im Nordwesten Georgiens: 136 Kilometer auf mehr oder weniger guten Straßen, meist entlang des Flusses Enguri bis tief hinein nach Swanetien im Hohen Kaukasus. Eine Gegend, die bekannt ist für seine Wehrtürme – das San Gimignano Georgiens gewissermaßen.

Kleiner Ort im Tal mit Wehrtürmen
Die ersten Wehrtürme auf dem Weg nach Swanetien

Prolog: Von Batumi nach Zugdidi

Die Busstation von Batumi liegt nicht gerade in der schönsten Gegend Batumis, aber da ich dort angekommen bin und von dort auch wieder abfahren wollte, hatte ich mir ein einfaches, aber ordentliches Hotel (*) ganz in der Nähe gesucht und konnte so einigermaßen ausschlafen, ehe die erste Teiletappe nach Zugdidi morgens um 7 Uhr starten sollte.

Es handelt sich hier um eine sehr, sehr alte (mitten auf dem Platz steht noch eine Säule mit dem Sowjetstern an der Spitze) Busstation, die im Dunkeln noch uneinladener wirkt als sie eh schon ist. Aber ich hatte am Tag vorher schon Marshrutka-Fahrer mit Händen und Füssen gefragt, wann ich nach Zugdidi fahren könnte und die Information hat sich als richtig erwiesen.

Kleinbusse in der Dunkelheit
Start an der Busstation in Batumi

Direktverbindungen nach Mestia gibt es hier wohl nur im Sommer, wenn mehr Touristen unterwegs sind. Angesichts nur eines weiteren Fahrgastes war ich froh, überhaupt so früh aus Batumi wegzukommen, um dann in Zugdidi irgendwie nach Mestia umsteigen zu können.

Angesichts des geringen Fahrgastaufkommens wurde der Minibus dann eben noch anders genutzt. Die Fahrt ging dann auch über Umwege und Nebenstrecken, weil statt Menschen ein bisschen Baumaterial mitgenommen wurde. Für die 132 Kilometer haben wir dann so etwa drei Stunden gebraucht.

Aber die Landschaft rund um Batumi ist ganz hübsch: Hier ist der Nationalpark Mtirala, der zu den regenreichsten in der gesamten Sowjetunion zählte und dementsprechend auch viele Wasserflächen aufweist. Auf den Straßen sind hier nicht nur Autos unterwegs, auch das Vieh nimmt sich seinen Platz und so sieht man unterwegs eben Säue, die sich an Bäumen reiben oder Kühe, die entweder gemütlich am Straßenrand grasen oder sich auch mal auf der Fahrspur hinlegen.

Kühe am Straßenrand
Kühe am Straßenrand

Umsteigen in Zugdidi

In Zugdidi wurde ich dann am Bahnhof abgesetzt, ohne zu wissen, wo die Marshrutkas nach Mestia abfahren – also musste ich ein bisschen herumfragen. Da niemand englisch sprach und meine zehn Worte russisch nicht ausreichten, kam die Google Übersetzungs-App zum Einsatz.

Ein freundlicher Herr, der für eine der Busfirmen dort arbeitete, hat dann jemanden angerufen und ich wurde vom Fahrer der Marshrutka Richtung Mestia abgeholt und zum eigentlichen Startpunkt an der Niko Nikoladzis Kucha (in der maps.me-App eingezeichnet) gebracht.

Blauer Kleinbus mit Gestrüpp auf dem Dach
Marshrutka Richtung Mestia

Dann hieß es aber erst einmal warten. Nach über einer Stunde sind immerhin sieben der 16 Sitzplätze belegt, damit schient sich die Fahrt zu lohnen. Auch diesmal wird der Kleinbus als Warentransporter genutzt. Auf dem Dach ist schon ein undefinierbares Gestrüpp festgezurrt – wofür auch immer man das brauchen kann.

Bei dem etwas altersschwachen Gefährt springt dann der Motor nicht gleich an, also erstmal alle raus und anschieben. Fünf Minuten später dann gleich der nächste Halt – zum Tanken. Das vorher zu machen, wäre zwar auch möglich gewesen, aber so können wenigstens alle zuschauen.

Stausee mit niedrigem Wasserstand
Vorbei am recht leeren Enguri-Stausee

Unterwegs nach Mestia

Die Straße nach Mestia ist zwar asphaltiert, weist aber viele Schlaglöcher auf. Es ist also zusätzlich zu der eh kurvenreichen Strecke noch etwas kleinteiliger kurvenreich. Aber dafür nicht langsamer. Georgische Fahrer sind in Armenien gefürchtet, wie ich später erfahre…

Blick auf die Straße an den steilen Steinwänden
An den Steilwänden entlang

Im Gegensatz zur Fahrt nach Kazbegi kann ich diesmal die Aussicht aus dem Busfenster bei blauem Himmel und Sonnenschein genießen. Da der Bus ja nicht voll ist, wechsele ich ein paarmal die Plätze, kann aber definitiv die rechte Seite für den besseren Ausblick empfehlen. Man sollte sich dabei nach Möglichkeit einen Platz suchen, bei dem man das Fenster öffnen kann. Da die Scheiben in Georgien meist mit einer getönten Folie beklebt sind, kann man bei geöffnetem Fenster einfach bessere Fotos machen.

Aussicht aus dem Busfenster mit Teilansicht des Sitzes
Empfehlenswert: die rechte Seite des Busses

Die ersten 30 Kilometer hinter Zugdidi sind noch nicht so aufregend, danach geht es allerdings immer an schroffen Felswänden auf der einen und dem Abgrund auf der anderen Seite entlang. Fast immer ist der Fluss Enguri nah an der Straße, die hier einfach aus dem Fels gesprengt wurde.

An einer Stelle war auch ein Stück der Fahrbahn weggerissen – aber immerhin notdürftig mit Betonpollern gesichert. Da die Fahrt insgesamt wieder rund drei Stunden dauert, wird zwischendurch am Zusammenfluss von Nenskra und Enguri eine Pause eingelegt.

Blick über ein Brückengeländer auf den Fluss und die daran entlangführende Straße
Pause am Fluss Enguri

Die goldene Regel des Reisens lautet: Wenn es eine Toilette gibt, nutze sie! Man weiß nie, wann die nächste kommt und in welchem Zustand sie ist. Nun ja, ich glaube nicht, dass die nächste Toilette schlechter gewesen wäre, als das Plumpsklo, was sich an dieser Mini-Raststätte mit den kleinen Verkaufsständen in Holzbuden befand. Aber Regeln sind nun mal Regeln.

Plumpsklo mit Holzverschalung und herumliegendem Toielltenpaier
Da muss man dann drüber stehen…

Die Panorama-Fahrt

Was danach folgte, war pures Vergnügen. Eine einzige Panoramafahrt, bei der ich ständig versucht habe, mich irgendwie in den Kurven auf dem Sitz zu halten und gleichzeitig mit dem Smartphone in beiden Händen aus dem offenen Seitenfenster die Landschaft einzufangen.

Aus dem Busfenster hängend Blick auf Straße und berge
Fotografieren – ein Balanceakt am Busfenster

Steile Felswände und dich bewaldete Hänge, die herbstlich einem Teppich aus Braun-, Gelb- und Rottönen ähnelten und immer wieder vom klaren Dunkelgrün der Tannen durchzogen waren. Wasserfälle wurden durch Rohre unter der Straße Richtung Enguri gelenkt, aber Rinnsale überspülten immer wieder die Straße. Schilder warnten vor Steinschlag.

Im Winter versucht man zwar, die Straße freizuhalten, damit weiter Touristen nach Mestia kommen können, aber oft ist der Ort auch einfach eingeschneit. Im Oktober ist der Winter noch nicht da. Da sieht man nur auf den Bergen, die immer wieder am Horizont ins Blickfeld geraten, den Schnee und das Eis der Gletscher.

Kurvenhinweisschild, dahinter der Abgrund
Immer am Abgrund entlang

Es gibt auch einen kleinen Flugplatz bei Mestia, den man von Tiflis aus anfliegen kann. Aber mindestens eine Strecke sollte man unbedingt mit dem Bus absolvieren. Von Batumi oder Tiflis ist man dafür dann zwar fast einen ganzen Tag unterwegs, aber diese Fahrt durch die Berge in Swanetien sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Für mich gehörte sie definitiv zu den absoluten Highlights in Georgien.

Eine Wiese im Vordergrund, dahinter Wald und Berge
Wunderbares Bergpanorama