Eine Drei-Viertel-Deutschland-Durchquerung
Eigentlich hatte ich ja Deutschland einmal komplett durchqueren wollen: von der dänischen Grenze bei Flensburg bis nach Österreich (Salzburg). Doch mir fehlte für die komplette Strecke vom Meer an die Alpen die Zeit und so habe ich zwischendurch ein eher bergiges Stück zwischen Göttingen und Bamberg mit der Bahn (*) abgekürzt.
Doch irgendwie fühlt sich das nicht richtig an. Bei Gelegenheit werde ich dieses fehlende Stück von gut 250 Kilometern also noch nachholen müssen.
Der Prolog: von Flensburg nach Kollund (12 Kilometer)
Vor der ersten Etappe wollte ich auf einem Campingplatz in Dänemark übernachten. Die Anreise erfolgte mit dem Regionalexpress von Hamburg nach Flensburg – dank 9-Euro-Ticket fast kostenlos. Und wenn man rechtzeitig vor der Abfahrt am Hauptbahnhof einsteigt (der Zug steht da normalerweise schon eine Weile und bietet mehrere Fahrradabteile), bekommt man auch einen so schönen Platz für das Fahrrad.
Auf dem Weg vom Flensburger Bahnhof nach Dänemark musste ich natürlich im Hafen kurz bei Ben’s Fischhütte halten, um eines der hervorragenden Fischbrötchen zu essen, die ich schon bei meinem letzten Flensburg-Besuch schätzen gelernt habe.
Auch wenn man es vielleicht nicht erwartet, gibt es sowohl auf der deutschen, als auch auf der dänischen Seite zwischen Flensburg und Kollund ein paar kleinere Anhöhen zu überwinden, aber immer wieder ergibt sich so auch ein guter Blick auf die Flensburger Bucht.
Und im Gegensatz zum letzten Besuch, als die Grenze wegen Covid 19-Restriktionen für Nicht-Schleswig-Holsteiner komplett gesperrt war, konnte ich diesmal den kleinen Grenzübergang Schusterkate auch überqueren.
Dass hier (seit der Volksabstimmung 1920) überhaupt eine Grenze ist, bemerkt man nur an den Grenzsteinen auf beiden Seiten der kleinen Holzbrücke. Später stelle ich dann beim Bezahlen fest, dass ich keine Ahnung habe, was die dänische Krone eigentlich im Vergleich zum Euro kostet – aber da man ja auch überall mit der Kreditkarte bezahlen kann, brauche ich nicht mal Bargeld.
Erste Etappe: von Kollund nach Hamburg (171 Kilometer)
Übernachtet habe ich auf dem DCU-Campingplatz in Kollund. Und ich habe wieder festgestellt: Campingplätze sind nicht meine Welt. Ich schaffe da einfach nicht gut. Zum einen ist ein richtiges Bett natürlich deutlich bequemer als Zelt und Luftmatratze, aber ich verzichte auch sehr gerne auf die Unterhaltungen der Menschen im Nachbarzelt und lege keinen großen Wert darauf, zu hören, wenn sie sich auf ihren Luftmatratzen umdrehen.
Mit nur wenig und leichtem Schlaf bin ich dann früh aufgebrochen, um einen persönlichen Rekord anzugehen. Währen ich vorher maximal 122 Kilometer am Stück gefahren bin, wollte ich die Etappe nach Hamburg an einem Tag hinter mich bringen – um mir einen Ruhetag zu Hause zu gönnen und die folgende Nacht im eigenen Bett zu verbringen.
Und diese Motivation hat gewirkt. Schon letztes Jahr beim Wandern hatte ich gemerkt, dass mein fauler Körper recht schnell versucht, Müdigkeitssignale ans Gehirn zu senden, um mich zum Beenden der Anstrengung zu bewegen. Das muss ich dann einfach ignorieren und weiterfahren.
Dank der bisherigen kleinen 3-Tages- oder Tagestouren in diesem Jahr ist dieser Zeitpunkt, an dem mein Körper jammert, eh etwas weiter nach hinten gerückt, da er und ich beide wissen, dass 100 Kilometer kein Problem mehr sind. So waren dann die ersten 47 Kilometer bis Schleswig auch schnell absolviert und ich hatte noch Lust, ein paar Fotos zu machen.
Danach habe ich kaum noch Fotos gemacht. In Rendsburg habe ich den Nord-Ostsee-Kanal diesmal im Tunnel unterquert, habe aber nicht angehalten. Stattdessen war das Motto: immer weiter treten.
Richtig anstrengend war die Strecke dann irgendwo zwischen Kilometer 120 und 140. Wahrscheinlich hat mein Körper die 120 Kilometer ein bisschen als Schallmauer angesehen. Noch 50 Kilometer weiter als bisher zu fahren, schien da eine Zumutung zu sein. Aber jeder Kilometer weiter bedeutete auch, dass ich am nächsten Tag ausruhen konnte, kein Zelt für die Nacht aufbauen musste (oder mir noch so kurz vor Hamburg eine Unterkunft hätte buchen müssen) – und was hätte ich denn auch mit dem Rest des Tages anfangen sollen? Da konnte ich auch einfach weiter Rad fahren.
Und ab Kilometer 140 ging es dann tatsächlich wieder leichter. Nur noch 30 Kilometer. 3 x 10 Kilometer, dann nur noch 4 x 7 Kilometer und wenn man sich die Reststrecke so schön rechnet, ist man plötzlich an der Stadtgrenze und dann auch zu Hause.
Das Fahrrad dann noch ein Stockwerk nach oben zu tragen, fiel zwar deutlich schwerer als sonst und ich war auch ansonsten sehr erschöpft, aber irgendwie auch ganz zufrieden mit mir. Und die Müdigkeit ließ sich mit elf Stunden Schlaf auch beseitigen.
Zweite Etappe: von Hamburg nach Unterlüß (106 Kilometer)
Die zweite Etappe führte dann von Hamburg ins Hotel Mama nach Unterlüß. Einmal quer durch die Stadt und dann durch die schöne „Auenlandschaft Norderelbe“ und auf dem Radweg auf der Strecke ehemaligen Marschdammbahn Richtung Elbe.
Möglicherweise hatte ich dabei Rückenwind, jedenfalls war ich für meine Verhältnisse recht flott unterwegs und habe die Elbe dann mit der Fähre (die zwei Euro hatte ich schlauerweise in bar dabei) am Zollenspieker Fährhaus überquert.
Hinter Winsen (Luhe) kam dann nur noch sehr viel Landschaft und ein paar kleinere Orte, wie Salzhausen, Oldendorf oder Amelinghausen.
Mein Garmin 530 Edge zeigt mir auf den Routen auch immer die Anstiege an – und ein solcher wartete nach etwa 70 Kilometern. Ein paar hundert Meter auf der Landstraße mit bis zu sechs Prozent Steigung. Da habe ich zwischendurch zwar mal angehalten, um etwas zu trinken, ansonsten ging das aber auch für einen Flachland-Fahrer für mich und mit der 1×11-Schaltung ganz gut – zumal auf der anderen Seite des „Berges“ eine Abfahrt winkte.
Und nachdem ich mich unterwegs erst noch bei meiner Schwester mit Kuchen gestärkt hatte, konnte ich dann bei meinen Eltern sattessen und mich so auf zwei vermeintliche Ruhetage als Umzugshelfer bei einem meiner Brüder vorbereiten.
Dritte Etappe: von Unterlüß nach Hildesheim (100 Kilometer)
Nach diesen zwei Umzugstagen war ich froh, einfach nur wieder Rad fahren zu können. Auf dem Programm standen knapp hundert Kilometer bis Hildesheim. Die fehlenden ein bis zwei Kilometer habe ich dann vor Ort vollgemacht, indem ich einfach nochmal ein wenig ums Hotel (*) gefahren bin.
Die zwei Etappen bis Göttingen waren auch ein bisschen eine Fahrt in meine persönliche Vergangenheit. Immerhin bin ich in Celle zur Schule gegangen, bin in Hildesheim geboren und habe in Göttingen immerhin mal drei Semester studiert.
In Celle hat das aber auch nicht verhindert, dass ich mich erstmal verfahren habe, als ich von der geplanten Route abgewichen bin, um ein paar Fotos in der Altstadt zu machen. Aber zum Glück muss man da nicht mehr umständlich mit Falt-Stadtplänen herumhantieren, sondern kann nach einem kurzen Blick auf Google Maps weiterfahren.
Irgendwo hinter Celle bin ich dann auch an einer Mühle vorbeigekommen und habe so zum ersten Mal von der Niedersächsischen Mühlenstraße gehört. Was es nicht alles gibt.
Dazu gelernt habe ich auch an einem beschrankten Bahnübergang irgendwo in den Feldern. Als ich ankam waren die Schranken schon unten, ein Zug fuhr vorbei und die Schranken gingen nicht wieder nach oben. Wird wohl noch ein zweiter Zug kommen dachte ich mir.
Auf diesen zweiten Zug hätte ich wohl noch lange warten können. Spaziergänger klärten mich auf, dass man an diesem Bahnübergang über eine Rufsäule erst um die Öffnung der Schranken bitten muss. Die Rufsäule hatte ich völlig übersehen und Hinweisschilder gab es auch nicht – sogenannte Bettelampeln kannte ich ja schon, aber diese Bettelbahnübergänge waren mir neu.
Hildesheim gehört – nachdem es im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört wurde – nicht gerade zu den schönsten Städten Deutschlands. Der Rathausmarkt mit dem Ende der 1980er Jahre originalgetreu rekonstruierten Knochenhaueramtshaus bildet da sicherlich die Ausnahme und war einen kleinen Umweg wert.
Vierte Etappe: von Hildesheim nach Göttingen (86 Kilometer)
Die kürzeste Etappe meiner Deutschland-Tour stand von Hildesheim nach Göttingen an, von wo aus ich am Abend mit dem Zug nach Bamberg fahren wollte.
Die Strecke führte dabei auch durch Bad Salzdetfurth, wo ich meine ersten knapp 13 Lebensjahre verbracht habe. Damals hatte ich natürlich noch kein Auge für die schönen Fachwerkhäuser in der Altstadt oder die extravagante Architektur des Hotels Kronprinz vom Ende des 19. Jahrhunderts
Stillgelegte Bahnstrecken sind ja einerseits immer etwas deprimierend, bieten aber auch die Chance für tolle Radwege. Auf der Strecke der Lammetalbahn, die heute nur noch bis Bodenburg betrieben wird, wurde zwischen Lamspringe und Bad Gandersheim ein schöner Radweg angelegt, der mitten durch die Natur führt.
Mit steigenden Temperaturen war ich dann im Laufe des Tages ganz froh über die kurze Etappe, auch wenn ich noch ausreichend Zeit bis zur Fahrt meines Zuges hatte, die ich in Göttingen mit einem kleinen Spaziergang durch die Altstadt verbracht habe.