Die zweite 3-Tages-Tour

Die kalten Nächte und der Muskelkater nach meiner ersten 3-Tages-Tour haben mich nicht vom Radfahren abgehalten – im Gegenteil. So habe ich dann mal meinen Kalender konsultiert und nach einem freien 3-Tages-Fenster geschaut – das scheint mir als Anfänger im Bikepacking weiterhin die richtige Dosis zwischen Anstrengung und anschließender Entspannung.

Baum auf einer winzigen Insel an einer Feldwegkreuzung
Das Navi sagt: Rechts herum geht’s weiter

Und der Blick in den Kalender offenbarte: Ich musste spontan sein und gleich am nächsten Morgen losfahren. Kein Problem. Die Taschen und die Packordnung waren ja schon erprobt, was ich mitnehmen musste war professionell-nerdig in einer Excel-Tabelle festgehalten.

Die Route war auch sehr schnell gefunden. Ich wollte etwas weiter fahren als beim letzten Mal und da mir bei meinem Besuch und einer kleinen Radtour mit einem Mietfahrrad vor zwei Jahren die Schlei sehr gut gefallen hatte, stand mit Kappeln der Wendepunkt der neuen Tour fest.

Kleine Boote am Ufer, Blick auf die Schlei
Idylle an der Schlei

Etappe 1: Von Hamburg nach Neu Duvenstedt (109 Kilometer)

Für die erste Etappe hatte ich mir ein Ziel gesetzt: Erstmals seit über 25 Jahren wollte ich wieder über 100 Kilometer an einem Tag fahren. Außerdem wollte ich mal einen der Übernachtungsplätze der Aktion „Wildes Schleswig-Holstein“ der Stiftung Naturschutz des Landes ausprobieren. Das sind sogenannte Trekkingplätze, die nur Wanderern und Radfahrer mit kleinen Zelten (die Regeln gibt es hier und eine Übersichtskarte der Plätze hier) für immer nur eine Nacht meist kostenlos zur Verfügung stehen.

Weggabelung am Waldrand
Schöne Wege durch Felder und Wälder

Nördlich von Rendsburg liegt bei Neu Duvenstedt der Kolonistenhof. Gegründet wurde der Hof während des Siebenjährigen Krieges Anfang der 1760er Jahre durch – vom dänischen König angeworbene – Auswanderer aus Süddeutschland. Heute ist er eine Außenstelle des Marienhof in Rendsburg, der Menschen mit geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderungen eine Förderung, Ausbildung und Arbeitsplätze im landwirtschaftlichen Bereich bietet.

Für Wandern und Radfahrer stehen auf dem Kolonistenhof eine kleine Rasenfläche mit Feuerstelle, WCs und Duschen zur Verfügung. Absoluter Luxus also – denn oft sind die Trekkingplätze des Wilden Schleswig-Holsteins einfach nur Wiesen ohne jede Infrastruktur.

Die Fahrt selbst führte von Hamburg über Quickborn, Kellinghusen und Hohenwestedt zunächst an der B4 entlang, dann aber durch Felder und Wälder nach Rendsburg. Da mich der Nord-Ostsee-Kanal (ebenso wie der Panamakanal) immer wieder fasziniert, wollte ich diesen unbedingt mit der Schwebefähre unter der Rendsburg Hochbrücke überqueren, die seit März nach längerer Instandsetzungszeit wieder fährt – aber Vorsicht: Im Juli ist die Fähre für drei Wochen wieder außer Betrieb.

Nord-Ostsee-Kanal mit Hochbrücke und Containerschiff im Hintergrund
Am Nord-Ostsee-Kanal

Gebaut wurde die Schwebefähre 1913 zusammen mit der faszinierenden Eisenbahn-Hochbrücke, deren Strecke aus 42 Meter Höhe nördlich des Kanals in einer ellipsenförmigen Kurve zum Bahnhof der Stadt gezogen wurde. Pläne, die Schwebefähre ins UNECSO Weltkulturerbe aufnehmen zu lassen, wurden Anfang dieses Jahres begraben, nachdem ein Gutachten des Internationalen Rats für Denkmalpflege dem Antrag keine Erfolgsaussichten einräumte.

Kurz nach Rendsburg hatte ich dann auch die magischen 100 Kilometer absolviert und konnte frohgemut die restliche Strecke zum Übernachtungsplatz absolvieren. Natürlich nicht, ohne die einzigen ernsthaften Steigungen des Tages auf den letzten zwei Kilometern geboten zu bekommen.

Aber davon konnte ich mich dann als einziger Camper der Nacht in aller Ruhe beim Abendessen und auf einem kleinen Spaziergang zur Baumkirche abseits des Kolonistenhofs erholen.

Etappe 2: Vom Neu Duvenstedt nach Grevenkrug (118 Kilometer)

Ursprünglich hatte ich meine zweite Übernachtung auf einem Campingplatz am Westensee eingeplant. Da erste Nacht im Zelt aber doch kälter war als erwartet, habe ich noch im Zelt ein Hotelzimmer für die nächste Nacht gebucht – ich muss mir das Leben ja nicht unnötig schwer machen…

Morgennebel auf einer Wiese im Hintergrund
Morgennebel im Wilden Schleswig-Holstein

Mein neues Tagesziel war so ein paar Kilometer weiter entfernt, aber die Aussicht auf ein Bett statt einer Luftmatratze kann ja durchaus motivierend wirken. Die erste Hälfte der Tour war aber durchaus zäh, die Beine mussten wohl erstmal wieder warm gefahren werden.

Was sich aber in Schleswig-Holstein besonders mag, sind die Felder, gerne mal mit einem oder ein paar Bäumen als Windschutz irgendwo auf dem Weg zum Horizont. Und von diesen Feldern gab es unterwegs wieder viele.

Schöner als die Radwege entlang der Straßen – auf denen man oft durch Baumwurzeln hervorgerufene Bodenwellen durchgeschüttelt wird – sind auch oft diese Feldwege mit Betonplatten. Auch wenn da oft auch mal ein Stück der Platte fehlt – hier muss man also auch höchst konzentriert fahren.

Trinkflasche, Gummibärchen und gesalzene Cashewnüsse
Süß oder salzig? Beides natürlich.

Kurze Zwischenstops, um den Zuckerspiegel hochzuhalten, den Salzhaushalt auszugleichen und die Beine etwas auszuschütteln, mussten auch mal sein. Trotzdem zog sich die Strecke bis Kappeln. Aber das war wahrscheinlich reine Kopfsache, da Kappeln nach 47 von 118 Kilometern nichtmal die Hälfte der Strecke bedeutete.

Ab Kappeln ging es dann besser. Perfektes Radfahrwetter, hin und wieder auch mal ein schöner Schotterweg mit Blick auf die Schlei – und vor allem die Aussicht auf Kaffee und Kuchen im „Landarzthaus“ in Lindau wirkten sehr verlockend.

Das Landarzthaus – heute mit Kuchen auch für Kassenpatienten

Landschaftlich war dieser zweite Tag das absolute Highlight der dreitägigen Tour. Und ob es nun die Torte, der doppelte Espresso oder die kalte Apfelschorle war – nach dem Stop beim Landarzthaus (kleiner Tipp: Bargeld mitnehmen – hier kann man nicht mit Karte bezahlen) lief es wieder. Möglicherweise hat dabei auch eine Rolle gespielt, dass ich von da an die noch zu fahrenden Kilometer runterzählen konnte, nachdem die Hälfte der Strecke geschafft war.

Schottere, im Hinterrund ein Bauernhaus an der Schlei
Für solche Wege wurde das Rad gebaut…

Es war auch der Tag der Dörfer, die auf -by enden: Osterby, Rieseby, Krieseby, Sieseby, Kopperby, Grödersby, Ketelsby, nochmal Rieseby, Barkelsby, Borby und nach Eckernförde noch Haby.

Wobei Haby eine Ausnahme bildet und wohl eher vom Namen eines Landeigentümers abstammt und nicht wie alle anderen einen skandinavischen Ursprung als Bezeichnung einer Ansammlung von Gehöften hatte.

Für die Überquerung des Nord-Ostsee-Kanals Richtung Süden habe ich mir Sehestedt mit seiner kleinen Autofähre ausgesucht. Sehestedt ist der einzige Ort, der durch den Bau des Kanals Ende des 19. Jahrhunderts geteilt wurde und für den auch ein Teil des alten Ortskerns abgerissen werden musste.

Fähre bei Sehestedt
Fähre bei Sehestedt

Die Gegend rund um den Westensee – oder genauer: die Südseite, die ich befahren habe – ist absolut empfehlenswert. Hier führen Radwege durch den Wald direkt am See entlang und die hügelige Strecke durch die Felder Richtung Blumenthal erinnert tatsächlich stellenweise an die Nordinsel Neuseelands. Hier machen Hobbits Urlaub, glaube ich.

Kurz vor Schluss ging es dann noch am Heiligen Berg (immerhin 78 Meter hoch) vorbei, so dass ich an diesem Tag doch noch auf 760 Höhenmeter gekommen bin. Und das im Flachland. Da hatte ich mir auch ein deftiges Abendessen im Hotel Auerhahn (*) verdient.

Leberkäse mit Spiegelei und Bratkartoffeln
Abends wurde es etwas deftig…

Etappe 3: Von Grevenkrug nach Hamburg (76 Kilometer)

Nach zwei Tagen, an denen ich die gleiche Strecke wie auf der letzten Tour an drei Tagen absolviert hatte, half auch eine Nacht im Hotel nicht, um mich vollständig zu erholen. Die dritte, eigentlich vergleichsweise kurze Etappe war daher die schwerste. Die alten Beine waren einfach müde.

See mit Sandstrand an der B4
Vorbei am Einfelder See nördlich von Neumünster

Die ersten 17 Kilometer bis Neumünster ging es eigentlich nur bergab, das Wetter war gut, der Radweg in Ordnung, aber die körperliche Frische fehlte einfach. Geholfen hat dann wahrscheinlich wieder der Zucker. Um meine Puddingplunderteilchen beneideten mich Viele entlang der Strecke.

Gebäck im Vordergrund, unscharf im Hintergrund: Kühe
Puddingplunder vor neugierigen Publikum

Möglicherweise hätte eine interessantere Route ab Neumünster mehr Ablenkung gebracht als der stellenweise schnurgerade Radweg entlang der B4 Richtung Hamburg, aber für mehr Kraft hätte das auch nicht gesorgt. Zwei kleinere Stops, um ein paar Snacks zu mir zu nehmen – das musste reichen.

Gerader Radweg an der B4
Immer geradeaus nach Hause

Der Tag und die Etappe ist daher schnell erzählt: Ich wollte nur noch nach Hause und freute mich auf den letzten Kilometern mehr und mehr auf eine erfrischende Dusche.

Aber ich lerne ja auf jeder Tour etwas dazu.

Und diesmal war es eben, dass ich auf meiner langen Tour im Sommer von der dänischen Grenze nach Salzburg auch mal einen Ruhetag brauche und vor allem nicht die ganze Strecke in der Zeit schaffe, die ich zur Verfügung habe. Daher habe ich gleich mal die Gesamtroutenplanung umgestellt und werde das Stück von Göttingen bis Bamberg mit dem Zug fahren (im ICE, da ich in Regionalzügen zwar nicht so wahnsinnig länger unterwegs wäre, in Zeiten des 9-Euro-Tickets aber das Risiko vermieden will, mit dem Fahrrad stehengelassen zu werden) und in Bamberg, was ja sehr hübsch sein soll, einen Ruhetag einlegen.

Das Radfahren soll ja weiterhin Spaß machen. Daher habe ich die Strecke von Bamberg bis Salzburg (ca. 360 Kilometer) auch noch nicht geplant, sondern will einfach spontan schauen, wie weit ich an den drei Tagen, die ich dafür Zeit habe komme. Zur Not könnte ich das letzte Stück auch jederzeit mit einer Regionalbahn absolvieren.

Schatten des Fahrers und des Rades
Schattenspiele