Muss man Batumi gesehen haben?

Batumi ist mit 172.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Georgiens und ist offenbar eine beliebte Urlaubsdestination am Schwarzen Meer.

Ich hatte vor der Reise nach Georgien noch geschwankt, ob ich dort überhaupt hinfahren soll, habe es dann eher aus logistischen Gründen doch gemacht und wurde nicht enttäuscht. Batumi muss man nicht gesehen haben, kann man aber durchaus besuchen, denn es ist eine Stadt, in der man an vielen Ecken einfach nur verwundert stehen bleibt und sich denkt: Was um Himmels Willen, haben sie sich hierbei gedacht?

Und wenn eine Stadt das schafft, ist es eine Reise wert – so man denn ein Faible für Seltsamkeiten hat. Insbesondere architektonische Seltsamkeiten.

Graffiti mit den Sehenswürdigkeiten von Batumi
Graffiti mit den Sehenswürdigkeiten von Batumi

Was gibt es also in Batumi zu sehen?

Das bizarre Neue

Das wahrscheinlich bizarrste Gebäude in Batumi ist der 120 Meter hohe Batumi Tower, den man von vielen Punkten der Stadt aus sieht und der neben einem 5-Sterne-Hotel (*) noch ein paar Restaurants, ein Casino, ein Spa und Luxus-Apartments beherbergt. Am auffälligsten ist aber das in 100 Meter Höhe in die Fassade eingelassene Riesenrad mit acht Kabinen.

Ich muss zugeben: Das hatte ich nicht erwartet. Ein solches Gebäude hätte ich vielleicht in Turkmenistan oder Aserbaidschan vermutet, aber nicht in Georgien.

Hochhaus mit Riesenrad an einer Ecke der Fassade
Beeindruckend seltsam: Der Batumi-Tower aus der Ferne

Bei diesem exzentrischen Bau hat es zwischendurch wohl Finanzierungsprobleme gegeben, so dass die Arbeiten mal für zwei Jahre unterbrochen werden mussten, ehe bei einer Versteigerung ein neuer Investor für das Hochhaus nahe des Boulevards am Strand gefunden wurde.

Mehrere Hochhäuser
Interessante Hochhaus-Neubauten in Batumi

Nicht ganz so neu ist das ehemalige Nationalbankgebäude mit seiner astronomischen Uhr. Aber vielleicht war das ja der Auftakt oder ein Vorläufer zu diesem wilden Spiel, bei dem sich die Architekten der Stadt darin zu überbieten versuchten, wer noch absurdere Ideen umgesetzt bekommt.

Astronomische Uhr am ehemaligen Nationalbank-Gebäude
Astronomische Uhr am ehemaligen Nationalbank-Gebäude

Ein Highlight dieses Spiels ist sicherlich die Piazza. Klingt italienisch, soll wohl auch italienisch aussehen. Aber Italiener würden hier wahrscheinlich auch nur stehen und sich fragen, was das denn bitte schön sein soll.

Es ist auf jeden Fall ein 2009 fertig gestellter Platz, auf dem Konzerte ausgetragen werden und der gesäumt ist von zahlreichen Restaurants, Cafés und Hotels. Der georgische Architekt Sasha Orbeladze hat sich wohl von venezianischer Architektur inspirieren lassen und diese dann eher frei interpretiert, würde ich sagen. Vom „Kampanile“ wird alle drei Stunden die georgische Nationalhymne gespielt, damit man hier nicht allzu sehr ins Dolce Vita abgleitet..

Mix aus italienischen Einflüssen und purer Fantasie an Gebäuden
Bizarrer Architekturmix an der Piazza

Ähnlich wie in Tiflis gibt es aber auch ganz „einfache“ moderne Architektur, die vom Staat in Auftrag gegeben wurde: In Batumi ist die Public Service Hall, so eine Art Bürgeramt, in einem faszinierenden Neubau untergebracht. Ein ovaler Flachbau, aus dessen Innerem ein leicht eingedreht wirkender Turm wie Rauch aufzusteigen scheint.

Dieses Gebäude aus dem Jahr 2011 nach Plänen des italienischen Architekten Michele de Lucchi hat nur einen Nachteil: Daneben wurde inzwischen der 41-stöckige Alliance Palace gebaut, der die Public Service Hall nun zumindest metaphorisch in den Schatten stellt.

Der Alliance Palace, der ein bisschen aussieht wie das Auge Sarumans, bietet auf den unteren fünf Etagen Platz für ein Hotel (*), darüber sind kleine Apartments (30 bzw. 50 Quadratmeter) untergebracht – mit Blick aufs Meer natürlich.

Einige dieser Apartments kann man übrigens auch über booking.com (*) (Stichwort: „Alliance Palace“) für eine oder mehrere Nächte buchen.

Hochhaus mit Hotel auf den oberen Etagen
Moderne Architektur: die Public Service Hall versteckt hinter dem Alliance Palace

Das wuselige Alte

Was ich an Batumi auch noch mochte: diese Überraschungen an jeder Straßenecke. Irgendwie ist Batumi ein riesiges Wimmelbild aus Alt und Neu, aus verfallenden Altbauten und hypermodernen Hochhäusern, aus rumpeligen Hinterhöfen und Hochglanz-Hotels und -Restaurants.

Es gibt natürlich auch hier moderne Malls, aber eben auch ewig lange Straßenzüge mit Handwerksläden und inhabergeführten Fachgeschäften oder kleinen Obst- und Gemüseständen.

Es scheint also wirklich eine Stadt im Wandel zu sein und abseits der neuen Hochhäuser an der Waterfront kann man noch viel vom alten Sowjet-Batumi erkennen. Da gibt es dann eben keine schicken Apartments mit Blick aufs Schwarze Meer, sondern der Putz bröckelt von den Fassaden und im Erdgeschoss der Häuser sind kleine Läden oder Verkaufsstände, die höchstens zum Überleben, nicht aber für ein gutes Leben der Besitzer sorgen können.

Wohngebäude mit kleinen Shops im Erdgeschoss
Alltag in Batumi

Spaziergang an der Waterfront

Was sich neben einem ziellosen Umherschlendern durch die Stadt noch lohnt: ein Spaziergang auf dem Boulevard am Meer entlang. Beginnend am Hafen mit den unzähligen Ausflugsbooten bis hin zur oben erwähnten Public Service Hall.

Zwei Schiffe im Hafen von Batumi
Batumi ist der Haupthafen Georgiens

Der Boulevard entlang des Schwarzen Meeres ist von unzähligen Statuen und Kunstwerken gesäumt. Die auffälligste und bekannteste Installation besteht aus zwei acht Meter hohen Stahlfiguren („Ali und Nino„), die auf sich bewegenden Platten installiert sind. Die georgischen Künstler Tamar Kvesitadze und Paata Sanaia haben diese scheinbar aus Scheiben bestehenden Skulpturen 2010 hier aufgestellt.

Die Figuren entfernen sich voneinander, bewegen sich aufeinander zu und berühren sich doch nie – damit beziehen sich die Künstler auf die Novelle von Kurban Said, der die unglückliche Liebesgeschichte zwischen der georgischen Prinzessin Nino und dem aserbaidschanischen Adeligen Ali erzählt – also so etwas wie das georgische „Romeo und Julia“.

Da ich ja ein Fan von Leuchttürmen und Riesenrädern bin, konnte Batumi bei mir natürlich auch mit entsprechenden Objekten punkten.

Riesenrad und Leuchtturm unter dunklen Regenwolken
Dunkle Wolken über dem Hafen

Von einem Pier aus kann man dann auch noch zum einen ganz gut die Wellen darunter brechen sehen und aufs Meer schauen, aber auch die Skyline mit den Hochhäusern und den fortschreitenden Hotelneubauten bewundern.

Außerdem ist dies ein guter Ort, um sich die Frage zu stellen, warum Batumi eigentlich ein im Sommer sehr beliebter Urlaubsort ist.

Aussichtsplattform über der Meeresbrandung, im Hintergrund Hochhäuser
Gefährliche Brandung

Für irgendjemanden müssen die vielen Hotels ja gebaut werden. Eine wichtige Zielgruppe waren dabei betuchte Russen – unklar, ob sich diese angesichts der sehr ablehnenden Stimmung gegenüber Russland aber demnächst noch ins Land trauen.

So richtig hat sich mir Batumi als Urlaubsort nicht erschlossen. Ein paar Tage kann man sicherlich die Stadt und die Umgebung erkunden, aber für einen Strandurlaub ist die Stadt nicht geeignet. Nicht Sand, sondern Kies ist hier am Strand; bis zu faustgroß. Da möchte man sich nicht hinlegen.

Auf Stelzen stehende Hütte des Rettungsdienstes am Strand
Baywatch Batumi

Ein architektonisches Highlight – zumindest für mich als Liebhaber der Sowjet-Architektur – bietet Batumi unweit des Alliance Palace. Das ehemalige Hotel Magnolia steht da wie eine Trutzburg und als Zeichen für die alten Zeiten.

Was früher wohl mal ein riesiges Luxushotel und Wohnkomplex war, strahlt heute den Charme des Verfalls aus. Statuen im Innenhof dieses riesigen Komplexes erzählen noch von den „guten, alten Zeiten“, als dies das größte Gebäude Georgiens war und man hier in bester Lage am Meer urlauben und wohnen konnte.

Die meisten Geschäftsräume im Erdgeschoss stehen schon leer. Ein Co-Working-Space und ein Hostel verlängern vielleicht noch die Restlaufzeit dieses Gebäudes, aber in dieser Lage dürften dessen Tage über kurz oder lang gezählt sein. Die Wohnungen selbst sind noch bewohnt – und werden zum Teil an Urlauber vermietet – zum Beispiel über booking.com (*).

Seilbahn

Wer sich noch einen Überblick über die Stadt verschaffen will, kann vom Hafen mit der 2013 eröffneten Seilbahn auf den rund 250 Meter hohen Berg Anuria gondeln. Die knapp 2,6 Kilometer lange Fahrt dauert etwa zehn Minuten und kostet hin und zurück 30 Lari (ca. 11 Euro).

Kabine der Seilbahn in der Luft vor Hochhäusern
Neue Attraktion: die Argo-Seilbahn

Während der Fahrt kann man dann ungeniert einen Blick auf die Hinterhöfe und die mehr oder weniger im Verfall befindlichen Häuser abseits der Strandpromenade werfen und hat dann vom Berg aus ein fabelhaftes Panorama mit der Stadt und dem Schwarzen Meer vor sich.

Blick von einem Berg auf die Stadt und das Meer
Skyline von Batumi am Schwarzen Meer