Warum sich ein Besuch in Bratislava trotzdem lohnt

Die echten Sehenswürdigkeiten von Bratislava lassen sich vielleicht an einer Hand abzählen: die Burg, die Ufo-Brücke, die blaue Kirche und der bronzene Typ, der aus einem Gullideckel lugt. Und trotzdem – oder gerade deshalb – hat die slowakische Hauptstadt einen ganz eigenen Charme.

Präsidentenpalast in Bratislava
Bratislava kann auch Glamour

Auf den ersten, und ehrlich gesagt auch auf den zweiten Blick, wirkt Bratislava ziemlich grau. Viel Beton, viel Sowjet-Charme, viele Bausünden. Aber wenn man sich genauer hinschaut, ist Bratislava ein echtes Highlight für Fans von Ostblock-Ästhetik, morbidem Stadtwandel und skurrilen Details.

Wer ohnehin in Wien ist, sollte unbedingt einen Tagesausflug wagen. Es lohnt sich, das „hässliche Entlein“ jenseits der Donau zu besuchen.

Die besten Sehenswürdigkeiten in Bratislava

Ein paar Perlen in der Altstadt

Ja, Bratislava hat auch ein paar sehr hübsche Ecken. Gerade in der Altstadt:

Die Burg Bratislava – thront über der Stadt, sieht (weitgehend frisch renoviert) ein bisschen aus wie von Tourismusmanagern künstlich dort platziert, bietet aber tolle Ausblicke auf die Altstadt und die Ufo-Brücke.

Renovierte Ansicht der Burg Bratislava
Die Burg von Bratislava

Der Martinsdom – gotisch, historisch, mit Krönungstradition – ist gleich an der ehemaligen Stadtmauer gelegen und wohl nur knapp dem Abrisswahn der kommunistischen Regierung in den 1960er Jahren entkommen.

Burg Bratislava über einer Altstadtgasse
Die Burg ist aus vielen Ecken der Altstadt zu sehen

Etwas weiter von der Schnellstraße entfernt liegen mitten in der Altstadt ein paar Sehenswürdigkeiten dicht beieinander Hauptplatz & Michaelstor – Bratislava auf hübsch: bunte Häuser, Pflastersteine, Gassen mit viel Charme. Und das Stadtmuseum im Alten Rathaus (Stará radnica) – das lohnt sich vielleicht für einen Blick vom Turm auf die Altstadt drumherum.

Der Man at Work („Čumil„) ist wohl meist fotografierte Mann der Stadt und stets von Touristen umlagert. Es handelt sich um die Skulptur eines Arbeiters, der aus dem Kanalschacht zu steigen scheint.

Nur wenige Schritt von der inneren Altstadt entfernt befindet sich die Sankt-Elisabeth-Kirche („Die Blaue Kirche“) – ein interessanter Jugendstilbau in himmelblau. Verspielt und irgendwie surreal.

Blaue Kirche in Bratislava
Ganz einfach: die blaue Kirche

Die Ufo-Brücke – Science-Fiction aus Beton

Offiziell heißt sie „Most SNP“ (kurz für Most Slovenského národného povstaniaBrücke des slowakischen Nationalaufstandes), aber die meisten Besucher nennen sie einfach nur Ufo-Brücke.

SNP Most Bratislava Brücke bei Nacht
Architektonisch nicht uninteressant

Der Grund ist offensichtlich: auf dem asymmetrischen Pfeiler der Brücke thront scheinbar eine fliegende Untertasse mit Aussichtsplattform (Eintritt: 11,90 Euro, Zugang über einen Fahrstuhl auf der Petržalka-Seite der Brücke) und Restaurant. Die Aussicht ist großartig: Von hier aus blickt man auf die Donau, die Altstadt Bratsislavas und das graue Petržalka.

SNP Most Bratislava Pfeiler bei Nacht von unten aufgenommen
Das Ufo ist gelandet

Gebaut wurde die 430 Meter lange Brücke wurde von 1967 bis 1972, um das neue Wohnviertel Petržalka mit dem „alten Bratislava“ und dem Rest der Slowakei zu verbinden. Für die daran anschließende Hauptstraße durch die Stadt wurde, trotz großer Proteste, ein Teil der Altstadt geopfert.

Hauptverkehrsachse durch Altstadt Bratislava
Das Auto hatte und hat Vorrang

Bratislavas größtes Verbrechen: Die Straße durch die Altstadt

Wer sich fragt, warum Bratislava ein bisschen zerschnitten wirkt – hier ist die Antwort: In der Nachkriegszeit wurde eine sechsspurige Straße mitten durch die Stadt gebaut. Die Burg wurde von der Altstadt abgeschnitten, ganze Straßenzüge – inklusive der alten Synagoge – einfach abgerissen. Wer Hamburgs Ost-West-Straße kennt, fühlt sich sofort ein bisschen wie zuhause.

Mehrspurige Straße schneidet durch Altstadt Bratislava
Ein Tunnel wäre wohl besser gewesen

Petržalka – Plattenbau XXL

Auf der anderen Seite der Donau breitet sich Petržalka aus, das angeblich größte Plattenbauviertel Mitteleuropas. Hier wohnen rund 100.000 Menschen in einer nach dem Zweiten Weltkrieg erbauten Trabatenstadt. Wer auf sozialistische Stadtplanung steht, wird hier glücklich. Alle anderen sollten dieses Stadtviertel weiträumig meiden.

Großsiedlung Petržalka im Dunst
Im Nebel wirkt die Plattenbausiedlung noch trüber

Ich bin ja ein Fan von hässlichen Stadtvierteln und hier kann man an vielen Ecken – trotz vieler Modernisierungen – erahnen, wie es hier Ende der Siebziger oder in den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ausgesehen hat. Ein bisschen sozialistische Trostlosigkeit liegt hier immer noch in der Luft.

Frisch gestrichene Plattenbauten in Petržalka
Inzwischen ist aber auch etwas Farbe nach Petržalka gekommen

Galleria Multium – Fotos für Instagram

Zwischen all den Plattenbauten und Betonblüten versteckt sich ein Ort, der fast zu bunt für Bratislava ist: die Galleria Multium. Hier dreht sich alles um optische Täuschungen, Spiegelwelten und Perspektivspielereien. Ideal für alle, die sich mal unendlich oft selbst sehen wollen – oder einfach interessante Fotos machen möchten. Ein bisschen wie ein psychedelischer Spiegelpalast, aber in schön. 

Das Slowakische Rundfunkgebäude – potthässlich oder avantgardistische Architektur?

Ein umgedrehtes Pyramidengebäude aus rostbraunem Stahlbeton: Das Slovak Radio Building ist je nach Sicht entweder ein architektonisches Meisterwerk oder ein Mahnmal des schlechten Geschmacks. Auf jeden Fall ein Must-See für Brutalismus-Fans. 

Umgekehrte Pyramide - Radiogebäude Nratislava
Mir gefällt’s: Architektur mal anders

Ein Platz wie aus der Zukunft von gestern: Namestie Slobody

Der Freiheitsplatz ist ein riesiges Areal mit einem spektakulären Brunnen in Form einer stilisierten Blume, flankiert von der Technischen Universität und dem ehemaligen Hauptpostgebäude. Beton soweit das Auge reicht. Besonders deprimierend wirkt das Ganze nahezu ohne menschliches Leben an einem trüben Sonntagmorgen im Winter.

Hotel Kyiev – die graue Eminenz

Direkt im Stadtzentrum steht das einstige Luxushotel Kyiev – heute leer, aber immer noch imposant. Wer sich für Lost Places interessiert oder einfach nur wissen will, wie das glamouröse Bratislava der 1970er ausgesehen haben könnte, sollte sich das nicht entgehen lassen. 

Zwischen Verfall und Moderne

Wie viele Städte im ehemaligen Ostblock changiert auch Bratislava zwischen Verfall und Moderne. An vielen Ecken kann man den ehemaligen Glanz als zu Österreich-Ungarn gehörende Stadt erahnen, manchmal sieht man die Vernachlässigung der Bausubstanz in sozialistischen Zeiten und immer öfter steht man vor hochmodernen (Hoch-) Häusern. Insgesamt eine sehr interessante Mischung.

Slavin-Hügel – sowjetischer Soldatenfriedhof

Auf dem Weg zum sowjetische Soldatenfriedhof auf dem Slavin-Hügel läuft man vom Präsidentenpalast Palais Grassalkovich kommend durch ein recht wohlhabendes Viertel von Bratislava mit zahlreichen Villen aus der Zeit des österreich-ungarischen Kaiserreichs. Oben angekommen wartet das angeblich größte Kriegerdenkmal Mitteleuropas. Auf einem knapp vierzig Meter hohen Pfeiler steht eine zwölf Meter hohe Soldatenfigur, die die Sowjetfahne in den Wind zu strecken scheint.

Rundherum liegen die Grabstätten von knapp 7.000 sowjetischen Soldaten, die in den letzten Kriegsmonaten vor der Befreiung Bratislavas und der Slowakei im April 1945 gefallen sind. Angesichts der Besetzung auch Bratislavas 1968 durch sowjetische Truppen ist dieses Ehrenmal nicht unumstritten.

Soldatenfriedhof Slavin in Bratislava im Nebel
Bei gutem Wetter hat man von hier eine gute Aussicht auf die Stadt

Ausflug zum Dreiländereck: Slowakei, Österreich, Ungarn

Bratislava grenzt mit seinem Stadtgebiet an Ungarn und Österreich – keine europäische Hauptstadt eines Flächenlandes liegt so nah an ihren Nachbarländern.

Mit einem Regionalzug kann man vom Bahnhof Bratislava-Petržalka ins ungarische Rajka fahren und von dort zu Fuß (einfache Strecke: knapp fünf Kilometer) durchs absolute Niemandsland über Feldwege zum Skulturenpark am Dreiländereck laufen und sich vorstellen, dass hier vor gar nicht so langer Zeit die Grenzen zwischen West und Ost unüberwindbar waren.

Viel zu sehen gibt es allerdings nicht. Ein paar eher uninteressante Skulpturen, einen Tisch, auf dem die Flaggend er drei Länder abgebildet sind und man sich einbilden kann, in allen drei Ländern gleichzeitig zu picknicken – auch wenn de eigentliche Grenzstein ein paar Meter entfernt ist.

Grenzstein am Dreiländereck Slowakei Österreich Ungarn
Hier trafen Ost und West aufeinander

Einige der Wege, die vom Skulpturenpark weg führen, sind für Fußgänger und Radfahrer gesperrt (und angeblich kameraüberwacht). So ganz grenzenlos kann man sich hier also auch mehr als 35 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht bewegen.

Anreise nach Bratislava

Mit Bus und Bahn – ein Katzensprung aus Wien

Von Wien aus ist Bratislava ein Katzensprung. Mit dem Zug braucht man rund eine Stunde, der Bus braucht 15 bis 30 Minuten länger, fährt dafür fast bis in die Innenstadt. Für die Anreise nach Wien empfehle ich vom Norden Deutschlands aus den Nachtzug der ÖBB mit den neuen Mini Cabins.

Mit dem Zug sind es gut eine Stunde vom Hauptbahnhof in Wien bis zum Bahnhof Bratislava-Petržalka REX6 der ÖBB, manchmal schon alle halbe Stunde). Um in die Innenstadt von Bratislava zu kommen, muss man dann noch den Bus 91 nehmen.

Bequemer bis zum Zentralen Busbahnhof kommt man beispielsweise mit Bus Wien Bratislava unter Ufo-Brücke

Bequem mit dem Bus von Wien nach Bratislava

Mit dem Auto – Vignette besorgen

Natürlich kann man auch mit dem Auto nach Bratislava anreisen – sofern man sich vorher um eine Vignette für die Autobahnen in der Slowakei gekümmert hat und irgendwo einen Parkplatz findet.

Eine Übersicht über die Entfernungen und ungefähren Anreisezeiten zeigen, dass sich die Fahrt mit dem Auto allenfalls aus Wien, Tschechien oder Ungarn lohnt:

  • Wien – ca. 80 km, also in gut 1 Stunde machbar.
  • München – ca. 500 km (ca. 5–6 Stunden)
  • Berlin – ca. 700 km (etwa 7–8 Stunden)
  • Frankfurt am Main – ca. 800 km (knapp 8 Stunden)
  • Prag – ca. 330 km (ca. 3,5–4 Stunden)
  • Brünn / Brno – ca. 130 km (etwa 1,5 Stunden)
  • Budapest – ca. 200km (etwa 2 Stunden)
Radiogebäude Bratislava mit Kinderspielzeug im Vodergrund
Spielzeugautos schaffen es auch nach Bratislava

Mit dem Schiff von Wien nach Bratislava

Von März bis November (im Winter nur am Wochenende) kann man bis zu dreimal täglich zwischen Wien und Bratislava (und umgekehrt) auch mit dem Schiff reisen – eine Mini-Flusskreuzfahrt auf der Donau gewissermaßen. Ich hatte das vor einigen Jahren schon mal gemacht, und es ist trotz der nur 75-minütigen Fahrzeit eine sehr entschleunigende Art des Reisens.

Mit Handgepäck (bis neun Kilogramm) kann man problemlos mitfahren, bei größerem Gepäck muss man wohl vorher anfragen. Die Tickets gibt es hier bei der Reederei Twin City Liner. Sie kosten ab 25 Euro pro Strecke.

Burg Bratislava bei Nacht von der Ufo-Brücke aus gesehen
Hier kommt man dann auch mit dem Fährschiff vorbei

Fazit: Lohnt sich ein Abstecher nach Bratislava?

Bratislava ist vielleicht nicht die klassische Schönheit unter den europäischen Hauptstädten – aber sie hat Charakter, Ecken und Kanten. Und für alle, die Architekturgeschichte, Lost Places und den Charme des Hässlichen zu schätzen wissen, ist Bratislava ein echtes Highlight. Mut zur Hässlichkeit? Hat hier System. Und das macht die Stadt so einzigartig.

Geschlossener und verfallender Verkaufskiosk
Verfallende Eleganz aus Beton

Ich empfehle einen Besuch der Stadt mit einer Übernachtung, dann hat man alles Wichtige gesehen. Ich habe dort zwei Nächte verbracht (Tipp für eine günstige Übernachtung: Das „Kapselhotel“ CHORS like a hotel (* Affiliate-Link)) und mich auch nicht gelangweilt.