Spontane Idee: Reise mit dem Deutschlandticket

Ich hatte Anfang Mai ein paar Tage Zeit. Fürs Bikepacking fand ich es das Wetter noch zu kühl und unbeständig, um wirklich Spaß daran zu haben. Und da das Deutschland-Ticket noch frisch war, hatte ich die Idee, damit ein wenig durch die Gegend zu fahren.

Aus Gründen, die mir selbst nicht klar sind, wollte ich Deutschland mit dem Ticket erfahren (ja, dieses schlechte Wortspiel ist gewollt, sorry!). Warum nicht von Nord nach Süd, von West nach Ost? Vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Deutschlands und vom westlichsten zum östlichsten?

Gesagt, getan.

Gleise und Gleisbett
Über 3.000 Kilometer auf Schienen unterwegs durch Deutschland

Welche Orte gehören zum Zipfelbund?

Dass es diesen Zipfelbund, den Zusammenschluss der vier Gemeinden am nördlichsten, südlichsten, westlichsten und östlichsten Punkt Deutschlands, überhaupt gibt, habe ich erst bei meiner dritten „Extremstation“ in Selfkant bewusst erfahren. List auf Sylt und Oberstdorf haben wohl auch so schon genug Besucher und haben diese Werbung für sich anscheinend nicht nötig.

Blick aus dem Zugfenster auf das Meer vor Sylt
Auf dem Hindenburgdamm nach Sylt

Wer möchte, kann sich seine Reise auch offiziell in den vier Zipfelgemeinden List auf Sylt, Oberstdorf, Selfkant und Görlitz bestätigen lassen. Auf der Website sind auch die Rekorde aufgeführt, wie lange Reisende gebraucht haben, um alle Orte zu besuchen. Der aktuelle Rekord von der Ankunft im ersten bis zur Ankunft im letzten Ort liegt bei 69 Stunden.

Ich habe mir dafür etwas mehr Zeit gelassen.

Blick auf Meer und Dünen, im Vordergrund ein Holzschild "Kein Weg"
Nicht alle Wege sind gangbar

Was ist der nördlichste Ort Deutschlands?

Der nördlichste Punkt Deutschlands liegt am Strand an der Nordspitze Sylts auf dem sogenannten „Ellenbogen“, der zur Gemeinde List gehört.

Sylt habe ich mit einer Tagestour ab Hamburg bereist. Das ist auch mit dem Deutschlandticket problemlos möglich: Der erste direkte Regionalexpress fährt morgens um 5:29 Uhr in Hamburg-Altona ab und erreicht Westerland um 8.35 Uhr.

Regionalzug Richtung Sylt am Bahnhof Altona
In aller Frühe nach Sylt

Da bleibt genug Zeit, um mit den örtlichen Bussen (die im Deutschland-Ticket im Gegensatz zum Schleswig-Holstein-Ticket enthalten sind) erst noch einen Abstecher ans südliche Ende der Insel zu machen und die Hörnumer Bodde bei Niedrigwasser zu umwandern.

Dann wieder ab mit dem „Bus 2“ nach Westerland und weiter nach List („Bus 1“). Von hier aus fahren dann deutlich weniger Busse (meist nur stündlich) weiter zum Weststrand – also bleibt hier durchaus noch Zeit für einen Espresso oder ein Fischbrötchen.

Von der Bushaltestelle am Weststrand bis zum nördlichsten Punkt Deutschlands sind es dann zu Fuß nochmal 3,2 Kilometer einfache Strecke über eine asphaltierte Privatstraße, durch die Dünen und ein Stück am Strand entlang.

Hübsch ist es hier. Für das obligatorische Beweisfoto, wirklich am nördlichsten Punkt Deutschlands gewesen zu sein, gibt es einen Pfahl und ein kleines Schild.

Selfie am Schild "Herzlich Willkommen am nördlichsten Punkt Deutschlands"
Der echte Norden

Was ist der südlichste Ort Deutschlands?

Etwa 17 Kilometer südlich von Oberstdorf markiert der Grenzstein 147 den südlichsten Punkt Deutschlands. Die Website der Gemeinde Oberstdorf gibt Hinweise für eine „genussvolle Kombination aus Radtour und leichter Bergtour“. Was man in den Bergen halt so unter leichter Bergtour versteht, wenn 1.100 Höhenmeter zu bewältigen sind.

Blick von Bootssteg auf Ruderboote, im Hintergrund Berge und die Skiflugschanze
Am Freibergsee – im Hintergrund die Heini-Klopfer-Skiflugschanze

Ich habe mir diese Tour in den Bergen nicht zugetraut (Berge und Steigungen sind mein Endgegner) und habe es daher dabei belassen, immerhin 16 Kilometer (und 650 Höhenmeter) in und um Oberstdorf zu wandern. So habe ich die Skischanzen gesehen, bin zur (geschlossenen) Gaststätte Seealpe gelaufen und dann zum sehr idyllischen Freibergsee gewandert.

Und ich muss sagen: Oberstdorf ist die 13,5-stündige Anreise mit Regionalzügen ab Hamburg (mit sechsmal umsteigen) absolut wert. Zwar war dies der einzige Zipfel Deutschlands, an dem ich nicht direkt an der Grenze war – aber die Gemeinde reicht ja auch aus.

Selfie in Oberstdorf
Nicht ganz an der Grenze, aber Oberstdorf muss reichen

Was ist der westlichste Ort Deutschlands?

Von der Gemeinde Selfkant hatte ich vor dieser Reise noch nie gehört. Dabei gehörte diese Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1963 zu den Niederlanden – quasi als Entschädigung für Kriegsschäden – ehe sie an die Bundesrepublik „zurückgegeben“ wurde.

Im Idealfall braucht man von Oberstdorf mit Regionalzügen gute zwölf Stunden bis Geilenkirchen, dem letzten Bahnhof auf deutscher Seite. Aber dann ist man noch lange nicht am „Westzipfel“.

Ich bin an einem Sonntag von Aachen aus angereist. Da gab es ab Geilenkirchen nur alle zwei Stunden den Bus SB3 Richtung Sittard. Von Tüddern aus bin ich dann die letzten etwa fünf Kilometer zu Fuß gegangen.

„Erlebnisraum Westzipfel“ nennt sich dann die kleine Ausstellungsfläche, an der die Nachkriegsgeschichte von Selfkant erzählt wird, es eine Toilette und einen Steg entlang des Grenzbachs bis zum wirklich allerwestlichsten Zipfels des Landes gibt.

Schafe auf einer Weide
Nicht viel los im Westen

Obligatorisches Foto gemacht, dann zügig zurück nach Tüddern, um den nächsten Bus ins Bahnnetz zu bekommen. Unterwegs konnte ich dann noch Pferden und Kühen Hallo sagen, über Felder schauen und mich am vielen Nichts erfreuen. Kein Meer, keine Berge – Selfkant hat da gegenüber Sylt und Oberstdorf klare Standortnachteile.

Selfie am westlichsten Punkt Deutschlands
Beweisfoto: Ich war tief im Westen

Was ist der östlichste Ort Deutschlands?

Auch von Geilenkirchen nach Görlitz sind es bei idealen Bedingungen nochmal etwa zwölf Stunden. Ich habe es an besagtem Sonntag noch bis Kassel-Wilhelmshöhe geschafft, habe mich beim frühen Aufstehen am nächsten Morgen allerdings darüber geärgert, nicht noch ein bisschen weiter gefahren zu sein. Egal, am frühen Nachmittag war ich jedenfalls in Görlitz, habe mein Gepäck in eines der Schließfächer am Bahnhof gesteckt und bin mit dem Bus bis 69 Richtung Hora gefahren.

Unweit von Zentendorf liegt dann der östlichste Punkt Deutschlands an der Neiße. Auch hier ist es sehr idyllisch: Wiesen, Rapsfelder, ein paar Bäume und eine 1945 gesprengte Brücke, die nie wieder aufgebaut wurde.

Am „Ostzipfel“ wartet ein Fahnenmast, ein Gästebuch (was offenbar gerne für Phalluszeichnungen genutzt und laut beigelegtem Zeitungsartikel auch regelmäßig geklaut wird) und Sitzbänke und ein Holztisch. Mit Linoleum überzogen.

Ein paar Meter weiter gibt es sogar einen kleinen Bootsanleger an der Neiße – man kann den östlichsten Ort Deutschlands also auch mit einem Kanu erreichen.

Selfie am östlichsten Punkt Deutschlands
Ganz im Osten

Fazit: Lohnt sich die Reise in die Zipfelbund-Gemeinden?

Ja, absolut. So eine Deutschland-Reise macht richtig Spaß – sofern man Bahnfahren mag und sich stundenlang selbst beschäftigen kann.

So kommen ganz schnell (oder eher Regionalzug-schnell) über 3.000 Kilometer Fahrstrecke zusammen. Wer hätte gedacht, dass Neudietendorf anscheinend der Mittelpunkt Deutschlands ist (das ist zumindest der einzige Ort, durch den ich sowohl von Nord nach Süd, als auch von West nach Ost durchgekommen bin)?

Hinweisschild zum östlichsten Punkt Deutschlands
Der Weg ist klar

Ein bisschen Sightseeing in Sylt, Oberstdorf, Aachen und Görlitz habe ich natürlich auch gemacht, jede Menge Dialekte gehört und außer Bremen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland ganz nebenbei auch noch fast alle Bundesländer durchquert.

Hinweisschild in Oberstdorf "Alle Richtungen"
Guter Rat: In Richtung „Alle Richtungen“ laufen

Good to know: Was beinhaltet das Deutschlandticket?

Das Deutschland-Ticket kann man beim eigenen regionalen Verkehrsverbund (ich habe meins beim HVV bestellt und trage dies nun in der digitalen Form in der HVV Switch-App mit mir herum) oder in der App der Deutschen Bahn (*) kaufen.

Regionalzug an einer Bahnsteigkante
Es fährt ein Zug nach Irgendwo

Es ist ein Abo, das monatlich 49 Euro kostet und monatlich gekündigt werden kann. Wenn man also weiß, dass man es – zum Beispiel wegen einer Auslandsreise – nicht nutzen wird, kann man das Ticket kündigen und danach wieder ein neues Abo abschließen.

Genutzt werden dürfen keine ICEs oder ICs, nur Regionalzüge (RE, RB) oder Busse – dafür aber bundesweit.

Und man kommt mit dem Deutschlandticket auf einigen Strecken auch bis ins benachbarte Ausland. Hier findet sich eine gute Übersicht der Zugverbindungen und Buslinien, mit denen man ohne Zusatzkosten grenzüberschreitend fahren darf.

Unter der Woche waren die Züge auch nicht sonderlich voll. Rund um die Großstädte wurde es immer mal etwas voller, aber ich hatte stets einen Sitzplatz und konnte die Fahrt entspannt genießen. Ich werde das Ticket definitiv noch eine Weile behalten und weitere Reisen damit unternehmen.

Blick über leere Sitze durch ein Zugfenster auf den Sonnenaufgang
Sonnenaufgang im Zug