Wieso tut er das?
Eigentlich wollte ich ja in den Kaukasus reisen. Aber Aserbaidschan vergibt noch keine Touristenvisa und Georgien wurde kürzlich zum Hochrisikogebiet ernannt – da musste eine Alternative her.
Eine Freundin schlug vor, ich könne ja den Heidschnuckenweg in der Lüneburger Heide bewandern – eine Idee, die ich sofort als absurd abwies – um dann ein paar Stunden später doch über das Wandern nachzudenken. Mehrtägige Wanderungen habe ich nur als Kind mal mit meinem Vater im Harz und vor ein paar Jahren auf dem Incatrail nach Machu Picchu und auf den Vulkan Rinjani auf Lombok gemacht. Aber ich habe gerade Zeit, interessante Reiseziele im Ausland sind wegen Corona allenfalls eingeschränkt erreichbar – warum also nicht mal wieder Wandern?
Und so bin ich auf die Schnapsidee gekommen, mal zu Fuß die Verwandtschaft zu besuchen. Von Eutin bis Hannover, schlappe 270 Kilometer. da ich mir selbst und meinem aufflammenden Enthusiasmus nicht so recht über den Weg traute (und zwischendurch auch mal wieder nach Hamburg musste), habe ich mich zunächst für eine dreitägige Probewanderung entschieden.
Ich habe einen Plan
Der Plan: Vom Belauer See über Plön und Eutin zu irgendeinem Bahnhof an der Ostsee laufen. Das sollte zu schaffen sein, dachte ich mir. Also habe ich meinen Wanderrucksack vom Dachboden geholt, ihn mühsam vom Vulkansand gesäubert, Laptop (man weiß ja nie, wann man zwischen durch mal ein bisschen arbeiten muss) und die nötige Kleidung eingepackt und mich auf den Weg zum Belauer See gemacht.
Von diesem See hatte ich nie zuvor gehört, aber da ich ein bisschen von der Holsteinischen Schweiz sehen wollte und (bezahlbare) Unterkünfte in dieser Region zur Hauptsaison kurzfristig nur schwer zu finden sind, habe ich mir hier auf einem Campingplatz eine „Outdoor Lounge“ (*) gebucht. Das klang so hochtrabend und sah nach einem kleinen Abenteuer aus, daher musste ich einfach hin.
Die „Lounge“ ist im Prinzip eine Art Strandkorb mit Liegefläche, die für die Nacht überdacht werden kann. Mit einer warmen Decke ausgestattet, ist das eine sehr bequeme Übernachtungsmöglichkeit. Über das Preis-Leistung-Verhältnis kann man diskutieren, aber da Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, musste ich Nachteile wie einen fehlenden Stromanschluss und den weiten Weg zur Toilette hinnehmen.
Dafür stimmte die Lage. Der Blick auf den See war schon toll. Man kann da natürlich auch baden. Aber warum sollte ich sowas machen?
Und los geht’s
Ich wusste ja nicht, wie mein Fitnesszustand ist, daher wollte ich mich am ersten Tag nicht gleich übernehmen. 19 Kilometer vom Belauer See bis Plön schienen mir machbar. Zur Not hätte ich auf den Schlenker auf der Prinzeninsel bei Plön verzichtet, dann wären es nur 15 Kilometer gewesen.
Anfangs führt die Strecke direkt an der Bundesstraße entlang, aber die abwechslungsreiche Landschaft mit kleinen Wäldchen, Maisfelder, Getreidefeldern (zum Teil schon abgeerntet, zum Teil noch nicht) und ein gutes Hörbuch trösten darüber hinweg. Und auch zwei kurze Schauer können mir die Stimmung nicht verderben.
Rund um Plön
Und dann kommt ja auch ziemlich schnell der Große Plöner See. Und der ist wirklich groß. 28 Quadratkilometer, um genau zu sein. Damit ist er nicht nur der größte See Schleswig-Holsteins, sondern auch der zehntgrößte See Deutschlands.
Wie ein Finger bohrt sich die zwei Kilometer lange und zum Teil nur dreißig Meter breite Prinzeninsel vom Norden in den See. Ihren Namen verdankt die Insel – die seit einer Absenkung des Wasserspiegels im See im 19. Jahrhundert nur noch eine Halbinsel ist – den Söhnen des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II. Er hatte die Prinzeninsel gekauft und noch immer ist sie im Familienbesitz der Hohenzollern.
Mit dem Kadettenfriedhof (Plön ist heute nicht nur Standort der Marineunteroffiziersschule, sondern schon lange Militärstandort), einem Planetenpfad, netten Aussichtspunkten auf den See, einer Badestelle mit Sandstrand und einem Restaurant in einem schönen Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert lohnt sich die Prinzeninsel als Ausflugsziel. Wer nicht laufen mag, kann auch die Ausflugsboote der Plöner Motorschifffahrt nutzen (aktuell nur Mittwoch bis Sonntag).
So im Vorbeigehen macht Plön insgesamt mit seinem Schlossgelände und der Altstadt einen guten ersten Eindruck. Und ich fühle mich nach etwa 20 Kilometern Wanderung noch fit genug, um auch das letzte Stück bis zum Landhaus Jägerhof (*) irgendwo auf der anderen Seite des Sees zu laufen. Ansonsten hätte ich das letzte Stück auch mit einem Anrufsammeltaxi (eine Stunde vorher telefonisch zu bestellen) zurücklegen können, aber dann wäre ich auch nicht schneller da gewesen.
Dafür geht es nochmal ein ganzes Stück an der Straße Richtung Eutin entlang, dann aber durch den Wald, am Vierer See und durch die Felder. Etwas erschöpft und in Erwartung eines furchtbaren Muskelkaters kann ich schließlich nach 27,3 Kilometern eine kalte Dusche genießen.
Das war ein guter erster Tag. Noch habe ich Lust aufs Weiterwandern.