Rugby: Frankreich gegen Neuseeland 

Anlass meines Kurztrips nach Paris im November war (nach meinem Besuch bei der letzten Rugby-WM in Japan) eigentlich nur dieses Rugby-Länderspiel: Frankreich gegen Neuseeland. Der krönende Abschluss der Autumn Nations Series 2021, bei der die Mannschaften der Südhemisphäre (Argentinien, Australien, Südafrika und Neuseeland) für ein paar Spiele in die USA und nach Europa gereist sind, um dort zwei Jahre vor der nächsten Weltmeisterschaft gegen Teams der Nordhemisphäre anzutreten.

Und da sich eine Reise nach Paris immer lohnt, bin ich schon am Mittwoch angereist, um beispielsweise die Toten der Stadt oder das Musée Curie zu besuchen.

Blick auf die vollen Zuschauerränge im Stade de France
Ausverkauftes Stadion – Gespannte Erwartung vor dem Spiel

Das Training der XV de France

Völlig überraschend habe ich dann fünf Tage vorher eine Mail des französischen Rugby-Verbandes bekommen, die ein öffentliches Training vor maximal 1.000 Menschen anbieten wollten und bei Interesse um eine Registrierung baten. Da der Termin mit meinem Flugplan vereinbar war, habe ich das Angebot natürlich gerne angenommen.

Und so stand ich dann nach einer umständlichen anderthalbstündigen Anreise mit Metro, RER-Zug und Bus in einer langen Schlange vor dem Trainingsgelände des Verbandes, dem Centre National de Rugby, im kleinen Örtchen Marcoussis. Ich war allerdings nicht der wichtigste Gast in der Woche: Zwei Tage vorher war auch Staatspräsident Emmanuel Macron zu Besuch sowohl bei der Männer-Nationalmannschaft als auch bei den Damen, was France Rugby auch stolz bei Instagram vermeldete.

Jede Menge Spieler auf dem Trainingsplatz im Licht des Sonnenuntergangs
Rückennummern helfen auch im Training, die Übersicht zu behalten

Als die Zuschauer (zutritt mit 3G-Regelung wurde streng kontrolliert) eingelassen wurden, hatte das Training schon angefangen. Was wir dann zu sehen bekamen, waren ausschließlich Übungen mit dem Ball – das langweiligere Aufwärmprogramm wollte man dem Publikum wohl ersparen.

Und so gab es immer etwas zu sehen. Da so eine Rugbymannschaft, die mehrere Spiele innerhalb weniger Wochen absolvieren muss, aus mehr als nur den 22 Spielern besteht, die auf dem Platz stehen oder im Laufe eines Spiels eingewechselt werden, wuselten schätzungsweise 40 bis 45 Spieler (und unzählige Betreuer und Trainer) auf dem Platz herum. Sie waren ständig in Kleingruppen irgendwie beschäftigt – mit Angriffs- und Verteidungssequenzen, die schon fast nach Spiel aussahen, aber eben nicht ganz, da die Kontaktsituationen vielleicht doch nicht mit voller Konsequenz wie im Spiel durchgeführt wurden.

Aber auch Spezialsituationen wie Scrums oder Gassen wurden mit den dafür zuständigen Spezialisten immer wieder geübt. Die für Penaltys und Erhöhungskicks zuständigen Spieler machten ihre Schussversuche dann erst, nachdem alle anderen schon das Feld verlassen hatten.

Ein bisschen habe ich das Trainerteam dafür bewundert, da noch den Überblick zu behalten und immer die richtigen Spieler für die nächste Trainingsstation zusammenzubekommen.

Auch wenn es unter Corona-Bedingungen natürlich keine Autogramme oder Selfies mit den Spielern gab, war die Stimmung auf der Zuschauertribüne gut. An die Kinder hatten die Offiziellen T-Shirts und Fahnen verteilt – so dass schon ein klein bisschen Stadionatmosphäre aufkam – ein guter Vorgeschmack für das eigentliche Spiel am Samstagabend.

Blick auf den Trainingsplatz und die Tribüne
Ruhe nach dem Training

Das große Spiel: XV de France vs. All Blacks

Auf dem Weg zum Stadion

Vor etwa 15 Jahren war ich schon mal für eine Woche in Paris und hatte dort auch eine Führung durch das Stade de France gemacht. Aus der Zuschauerperspektive bei einem Spiel kannte ich das Stadion im Vorort St. Denis noch nicht.

Wegen der zusätzlichen Kontrollen der Impf- oder Testnachweise wurde dazu aufgerufen, möglichst frühzeitig am Stadion zu sein. Zwei Stunden vorher sollten die Tore und die Getränke- und Imbissstände öffnen. Gut, wenn ich eine 12-minütige Metrofahrt von der Place de Clichy vor mir habe, dann reicht es, die Metro zwei Stunden vor Spielbeginn zu nehmen, dachte ich mir.

Menschen unterwegs zum hell erleuchteten Stade de France
Auf dem Weg ins Stadion

Das dachten dummerweise aber ganz viele andere Menschen auch. Und so stand ich dann über eine Dreiviertelstunde im Gedränge auf dem Bahnsteig der Linie 13. Zum Glück gibt es hier aber Plexiglaswände, die den Bahnsteig von den Gleisen trennen, so dass es zu keinen Unfällen kommen kann.

Mit etwas gedrängtem Tokio-U-Bahn-Feeling ging es dann doch irgendwann zum Stadion. Mein Platz war dann natürlich auf der anderen Seite des Stadions, aber hier verliefen sich die Massen einigermaßen und am Eingangstor verliefen die Kontrollen dann trotz Impfausweischeck recht flott, so dass ich 25 Minuten vor Anpfiff auf meinem Platz saß.

Eintrittskarte mit Platzangaben
Die Tickets musste man sich ausdrucken – digital ging nichts

Die Stimmung im Stadion

Reihe 58 ist im Block Z11 nicht ganz optimal, musste ich dann feststellen. Zwar hatte ich von dort das gesamte Spielfeld im Blick, aber nicht mehr die Anzeigetafel auf der gegenüberliegenden Stadionseite. Etwa zwei, drei Reihen weiter vorne wäre schon ausreichend gewesen, um sich nicht immer bücken zu müssen und unter dem Beton des oberen Tribünenrang durchschauen zu können, um Spielszenen in der Großaufnahme zu sehen. Beim Fußball mag das kein großer Makel sein, beim Rugby ist es aber schon hilfreich die Live-Nahaufnahmen des Spiels immer wieder mal verfolgen zu können. Gerade wenn sich das Geschehen weit in der gegnerischen Hälfte abspielt und – zumindest ich – nichts mehr erkennen kann.

Blick auf fahnenschwenkende Fans und einen Betonvorsprung
Das Spielfeld voll im Blick, aber nicht die Anzeigetafel

Die Stimmung war von Anfang an großartig. Schon vor dem Anpfiff wurde immer wieder mal die Marseillaise angestimmt und zu meiner Verwunderung ertönte auch eine französische Version von „Griechischer Wein“. Das musste ich dann später natürlich mal googeln. Das Ergebnis: Der Club Aviron Bayonnais aus Bayonne im äußersten Südwesten Frankreichs hat seine Vereinshymne „Peña Baiona“ auf die Melodie von Udo Jürgens getextet – und irgendwie scheint dieses Lied dann seinen Weg auch auf die nationale Bühne gefunden zu haben.

Vor dem Einlaufen der Mannschaften gab es dann noch eine große Lightshow in blau, weiß und rot, ein inbrünstiges Absingen der Nationalhymne und ehrende Stille für die neuseeländische Nationalhymne und den traditionellen Haka der All Blacks. Es war ein wohltuend faires Publikum, das den Gegner offensichtlich sehr respektierte und nur den englischen Schiedsrichter laut auspfiff – da gab es wohl eine Vorgeschichte.

Neuseelands Spieler in Dreiecksformation beim Haka, gegenüber die Franzosen in einer Reihe
Andächtige Stille für den Haka

Wie war eigentlich das Spiel selbst?

Es war ein packendes Spiel. Mehr hätte ich für mein Geld nicht erwarten können. Da Frankreich in der ersten Halbzeit deutlich überlegen war, Neuseeland nicht ins Spiel kommen ließ und selbst drei Versuche legte, war das Publikum über ein 24:6 zur Pause natürlich ziemlich begeistert.

Nach dem Wiederanpfiff wurde es aber eng für die Franzosen. Nach drei Versuchen der All Blacks – die an diesem Abend in Weiß antreten mussten – stand es plötzlich nach knapp 60 Minuten nur noch 27:25. Das Spiel schien zu kippen. In dieser Phase waren die Anfeuerungen „Allez les Bleus“ und das wiederholte Anstimmen der Marseillaise nicht mehr feiernd wie noch in der ersten Halbzeit, sondern unterstützend gemeint.

Spieler stehen in einer Gasse bereit für den Einwurf
Gasse für Neuseeland – es wird gefährlich für Frankreich

Spielentscheidend war dann die 61. Minute. Angriff Neuseeland, der Ball wird nach vorne gekickt, alle Spieler laufen dem Ball hinterher und Romain Ntamack (dessen Vater Émile übrigens ebenfalls Nationalspieler war und 1999 nach einem Halbfinalsieg über Neuseeland mit Frankreich Vizeweltmeister wurde) erläuft aufspringenden Ball im eigenen Malfeld.

Anstatt ihn nun so schnell wie möglich wegzukicken, umkurvte er zwei auf ihn zustürzende Gegenspieler und über zwei Stationen gelangen die Franzosen bis weit in die gegnerische Hälfte. Dort handelt sich Ardie Savea eine gelbe Karte ein. Neuseeland ist nun für die nächsten zehn Minuten in Unterzahl. Das nutzte Frankreich, um mit einem Penalty und einem erhöhten Versuch den Endstand von 40:25 herzustellen.

Das Spiel war viel enger, als dieses Ergebnis vermuten lässt. Le Figaro nannte es später einen „strahlenden Sieg“, eine „Victoire éclatante des Bleus“, was nach 14 Niederlagen in Folge gegen den dreimaligen Weltmeister wohl berechtigt ist.

Blick aufs Spielfeld, kleine Spieler auf der anderen Seite der Spielhäfte
Entlastungsangriff für Frankreich zu Beginn der zweiten Halbzeit

Im mit über 79.000 Zuschauern ausverkauften Stadion herrschte natürlich absolute Euphorie und dieses Spiel dürfte die Erwartungen und die Hoffnung auf den ersten Weltmeistertitel bei der Heim-WM in zwei Jahren geschürt haben. Der WM-Pokal – standesgemäß in einem eigens angefertigten Koffer von Louis Vitton – war vor dem Spiel schon mal präsentiert worden.

Eröffnet wird der Rugby World Cup 2023 dann am 8. September 2023 im Stade de France – mit der Partie Frankreich vs. Neuseeland.

Wie gehts weiter für die XV de France?

Das nächste Spiel Frankreichs ist am 6. Februar 2022 im Rahmen der Six Nations gegen Italien. Da bin ich dann auch wieder dabei. Wieder Block Z11, Reihe 58, Platz 8 – das Ticket für das Spiel gegen Neuseeland hatte ich nämlich frühzeitig als Kombi mit dem Spiel gegen den uninteressantesten Gegner des traditionsreichen Turniers der sechs besten europäischen Rugby-Nationen ergattert. France Rugby hatte die ersten Tickets für das begehrte Match gegen Neuseeland einfach mit dem weniger nachgefragten Italien-Spiel gebundelt – und um sicher dabei zu sein, hatte ich mich auf diese Paket-Lösung eingelassen. Paris ist schließlich immer eine Reise wert.

Blick auf ein sich leerendes Stadion
Das Stadion leert sich – die Chance mal zu schauen, wie es in Reihe 43 aussieht

Für dieses Spiel sind wohl auch noch Eintrittskarten erhältlich. Die weiteren Heimspiele gegen Irland und England (da bin ich dann im März auch wieder dabei…) sind hingegen schon seit Monaten ausverkauft.

Wer sich für Tickets der Six Nations interessiert, muss schnell sein. Ich empfehle daher für Spiele der französischen Nationalmannschaft den Newsletter von France Rugby – da wird man dann auf den Verkaufsstart hingewiesen und kann sein Glück versuchen.