Eine der am längsten besiedelten Städte der Welt

Schon seit 7.000 Jahren leben Menschen im süditalienischen Matera. Und Höhlen spielen auch heute noch eine wichtige Rolle in der Stadt, die 2019 eine der beiden Kulturhauptstädte Europas war (die andere war Plowdiw in Bulgarien) und seit 1993 auf der Liste der Weltkulturerbestätten der UNSECO steht.

Blick auf ein Häusermeer in der Altstadt
Matera – ein architektonisches Wimmelbild

So richtig war mir Matera vor meiner Reise dorthin nicht bekannt, nur am Rande hatte ich mal davon gehört. Und kann nur sagen: Fahrt nach Matera!

Doch der Reihe nach.

Häuser Meer - alles in einem Farbton
Diese farbliche Einheitlichkeit ist faszinierend

Wo liegt Matera eigentlich?

Matera liegt etwa 65 Kilometer südwestlich von Bari und 250 Kilometer ostsüdöstlich von Neapel in der wahrscheinlich weitgehend unbekannten Region Basilicata.

Was ist das Besondere an Matera?

Die Sassi von Matera

Die Sassi (zu deutsch: „Steine“) sind zwei Wohngebiete (Sasso Caveoso und Sasso Barisano) in Matera, die aus Behausungen bestehen, die in den Kalkstein hineingeschlagen wurden. Man kann sie sich wie Höhlenwohnungen vorstellen, die in vielen Fällen auch mit Kalksteinen als Baumaterial ergänzt wurden. Da die Sassi an zwei steilen Felshängen entstanden sind, konnten so auch mehrere Behausungen auf verschiedenen Ebenen übereinander entstehen, die durch „normale“ Häuser ergänzt wurden, die nicht in die Felswänden hinein, sondern darauf gebaut wurden.

Blick auf einen bebauten Berghang
Kaum zu erkennen, wo ein Haus endet und das nächste beginnt

Eine wahre Schönheit

Matera ist dank der Sassi heute eine der schönsten Städte Italiens. Die Altstadt mit den Sassi hat einen ganz besonderen Charme: Die beige-grauen Häuser scheinen ineinander verkeilt zu sein, wie ein Haufen Bausteine in einer Spielzeugkiste.

Blick auf Gassen von schräg oben
Direkte Wege gibt es hier nicht – man muss sich treiben lassen

Autos sieht man in der Altstadt allenfalls auf den größeren Straßen. Die Gassen mit ihren hellen großen Pflastersteinen sind zu verwinkelt und mit Treppen geht es immer wieder auf und ab und kreuz und quer. Die Sassi sind ein kleines dreidimensionales Labyrinth, bei dem es immer wieder eine Überraschung ist, wo man wieder herauskommt. Oder eben auch mal in einer Sackgasse landet.

Manchmal sieht es aus, wie von M. C. Escher konstruiert, man glaubt an einigen Ecken, dass die Gassen nur ins Nichts führen können. Von dieser Stadt müsste ich wohl mal ein digitales 3D-Modell mit allen Gebäuden, Höhlen, Kellern und Zisternen sehen. 

Höhlen mit Gasse und darübergebauten Gebäuden
Ein Beispiel für die Felsbebauung

Bei Google Maps bekommt man übrigens weder mit der Standard-Ansicht, noch mit der Satelliten- oder der Gelände-Ansicht ein Gefühl für das Durcheinander von Steinen in Matera. Vielleicht helfen meine Fotos ein bisschen. Aber Matera gehört definitiv zu den Orten, die man selbst gesehen haben muss, um sie zu begreifen.

Die Häuser und die Stadt wirken je nach Tageszeit und Sonnenstand total unterschiedlich. Mal abweisend und kalt in der grellen Sonne, mal einladend und warm am späten Nachmittag. Allein wegen dieser Lichteffekte lohnt es sich, mehr als einen Tag in Matera zu verbringen. Ich würde sogar sagen, dass man alleine zwei Tage damit verbringen kann, immer wieder durch die Stadt zu laufen und sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennenzulernen und seine persönlichen Lieblingsplätze zu finden.

Blick von einer Art Balkon
Und immer wieder diese Ausblick auf die Stadt…

Abstieg und Aufstieg der Sassi

Ende der 1940er Jahre lebten etwa 15.000 Menschen in den mehr als 3.000 Höhlenwohnungen in Matera. Wegen der katastrophalen sanitären Bedingungen (es gab in diesen Wohnungen keinen Strom, kein fließendes Wasser oder vernünftige sanitäre Anlagen) kam es sogar zu Malaria-Ausbrüchen.

Blick über die Stadt
Matera im Sonnenschein

Der Arzt, Maler und Schriftsteller Carlo Levi machte in seinem Buch „Christus kam nur bis Eboli“ (1944) auf die Lage der Armen in der Region Basilicata aufmerksam. Auch wenn er einen anderen Ort beschrieb, wurden die Zustände in den Sassi schließlich als nationale Schande wahrgenommen. Ab den 1950er Jahren wurden die Bewohner daher aus den Sassi ausquartiert und in Neubaugebiete in Matera umgesiedelt.

In den späten 60er und 70er Jahren verfielen die Sassi immer mehr und wurden erst ab 1981 touristisch „wiederentdeckt“. Seitdem werden die Gassen und Häuser der Sassi wieder renoviert. 

Blick in eine Gasse
Es ist einfach sehr schön in Matera

Die Sassi heute

Matera ist heute ein Touristenmagnet. Auch im Oktober und in Corona-Zeiten sind hier viele Touristen unterwegs. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es hier im Sommer zugeht.

Die Sassi sind nun keine nationale Schande mehr, sondern eher ein national treasure. Viele der ehemaligen Höhlenwohnungen sind zwar mit Metalltüren versperrt, aber hin und wieder kann man hineinschauen und erkennen, dass die Höhlen als Lagerräume oder Schuttabladeplätze genutzt werden. Viele Höhlen sind aber schöner denn je. Zum Teil sind daraus Luxusunterkünfte für Touristen (jetzt mit Bad, Strom und WLAN) oder als Restaurant mit Michelin-Stern-Auszeichnung geworden.

Die gut erhaltene Struktur der Sassi und die karge Umgebung machen Matera auch zu einer beliebten Filmkulisse. Mel Gibsons hat hier die blutige „Passion Christi“ gedreht und auch Autoverfolgungsjagd-Szenen des nächsten James Bond-Films („No time to die“) sind in Matera entstanden.

Was sollte man sich in Matera noch anschauen?

Casa Noha

Ein Besuch in der Casa Noha nahe des Domes bietet sich zu Beginn eines Aufenthalts in Matera an. Ein eindrucksvoller Film zeigt das erbärmliche Leben in den Sassi-Höhlen Anfang des 20. Jahrhunderts und die Umsiedelung der Bewohner in den 1950er und 1960er Jahren.

Enge Gasse durch Felsen mit Höhlen links und rechts
Kleine Gasse mit Höhlenwohnungen

Felsenkirchen

Matera bietet gleich drei Felsenkirchen, die man mit einem Kombiticket (7 Euro) alle besuchen kann. Eines haben alle gemeinsam: Ein absolutes Fotoverbot. Warum auch immer. Auf dieser Website sieht man zumindest jeweils eine Innenaufnahme der Wandmalereien.

Blick von oben auf eine der Kirchen
Kirchenkomplex in Matera

Chiesa San Pietro Barisano

San Pietro Barisano ist die größte der Felsenkirchen, die in Matera in den Fels hineingeschlagen wurden. Die erste Anlage stammt hier aus dem 12. bis 13. Jahrhundert, die zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert durch Seitenkapellen erweitert wurde.

Im 18. Jahrhundert wurde die Kirche dann renoviert und um die heutige Fassade und einen Glockenturm ergänzt. Sehenswert sind in dieser Kirche vor allem die Fresken allerlei Heiliger. Leider wurden viele Kunstwerke in den 1960er und 70er Jahren beschädigt, als die Sassi verlassen waren.

Santa Maria de Idris & San Giovanni in Monterrone

Dieser Komplex besteht aus zwei Kirchen im Sasso Caveoso. Auch hier gibt es – natürlich zum Teil abgeblätterte oder stark verwitterte – tolle Fresken, die bis ins 11. und 12. Jahrhundert zurückgehen.

Santa Lucia alle Malve

Von Grundsteinlegungen kann man bei Felsenkirchen ja nicht sprechen, daher sagen wir stattdessen mal: Der Anstich dieser Kirche war im 9. Jahrhundert. Heute besteht sie aus drei Schiffen, wobei nur eines für Gottesdienste genutzt wurde, während die anderen bis 1960 als Wohnraum dienten. Die noch übrig gebliebenen Wandmalereien stammen aus dem 11. bis 17. Jahrhundert. Dabei sind sowohl Einflüsse der römisch-katholischen als auch der griechisch-orthodoxen Kirche erkennbar. Sagen zumindest die Experten, für mich sehen alle Fresken gleich aus.

Blick über die Stadt, über der die Kathedrale thront
Eine ganz normale Kathedrale gibt es übrigens auch noch

Einblick in die Sassi-Wohnungen

Mehrere ehemalige Höhlenwohnungen sind mittlerweile für Touristen im Stile des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hergerichtet worden.

Ich war in einer „Antica Casa Grotta„, einer Wohnung, die an einen Souvenirshop anschließt, aber trotzdem einen guten Einblick in die beengten Wohnverhältnisse und die Dunkelheit der Höhlen gibt.

Blick in eine "typische" Höhlenwohnung
Lage ist doch nicht alles

Bekannter – und von mehr Menschen besucht – ist die „Storica Casa Grotta di vico Solitario“. Diese Wohnung ist allerdings deutlich größer, aber viel Platz gab es auch hier nicht. Kinder schliefen entweder mit im Bett der Eltern oder nachts auf Tischen, der großen Brotkiste oder in der untersten Schublade einer Kommode.

Blick auf Figuren, die den Stall illustrieren
Der Stall war mit in der Höhle

Fließend Wasser oder Strom gab es natürlich nicht. Und die Tiere, wie Pferde, Esel oder Hühner standen in der Ecke. Mit ihren Hinterlassenschaften. Es war in diesen Höhlenwohnungen als ständig kalt, nass, dreckig und stinkend. Was für ein gutes Leben wir im Gegensatz dazu heute in Europa führen dürfen.

Aussichtspunkt auf Matera

Jenseits des großen Grabens, der Torrente Gravina, gibt es einen guten Aussichtspunkt auf Matera. Dorthin kommt man entweder per Auto über die Straße Contrada Murgia Timone oder zu Fuß im Rahmen einer kleinen Wanderung über die Hängebrücke Ponte Tibetano della Gravina. Das sind etwa 250 Höhenmeter auf jeder Seite des Grabens.

Belohnt wird man mit einem guten Blick auf die Stadt – unter anderem auch aus Höhlen heraus.

Blick auf Matera aus einer Höhle heraus
Höhle mit Premium-Aussicht

Ich fand diese Ansicht der Stadt allerdings weniger schön als die „innerstädtische“ Aussicht von der Chiesa di San Pietro Barisano Richtung Kathedrale. Beim Grabenblick haben Neubauten für meinen Geschmack den Gesamteindruck zu stark gestört. 

Blick über einen kleinen Kirchturm über die Stadt Richtung Kathedrale
Mein Lieblingsblick in Matera

Polambaro Lungo

Mitten unter der Piazza Vittoria Veneto, dem Hauptplatz und er Altstadt von Matera, befindet sich die größte Zisterne der Stadt. Sie wurde im 16. Jahrhundert in den Kalkstein geschlagen und mit einem Terracotta-Putz versehen, um die Zisterne abzudichten.

Blick in die große Zisterne
Blick in die große Zisterne

Die Größe der Zisterne war bis 1991 nicht bekannt. Erst im Rahmen von Umbaumaßnahmen der Piazza untersuchten Taucher die Zisterne, die danach – nun natürlich weitgehend trockengelegt und mit Laufstegen versehen – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Blick Treppen hinauf durch einen Durchgang
Eine überbaute Gasse

Wie kommt man mit Bus und Bahn nach Matera?

Von Neapel mit der Bahn bis Salerno, dann mit dem Bus bis Matera. Dauer: ca. 4 Stunden, Kosten: ca. 41 Euro. Oder mit einem Direktbus in vier bis fünf Stunden (ab 26 Euro).

Von Bari mit dem Bus ab Bari Airport. Dauer: ca. 1:15 Stunden. Kosten: ab 6 Euro. Mit dem Zug der Ferrovie Appule Lucane (allerdings nicht sonn- und feiertags!) ab Bari Centrale. Dauer: ca. 1:45 Stunden. Kosten: ab 5 Euro.

Altes Herrenrad an eine Mauer gelehnt
Klar, mit dem Fahrrad kommt man natürlich auch nach Matera

Cafés & Restaurants in Matera

Osteria al Casale
Sehr gemütliche Osteria mit Natursteingewölbe und sehr gutem Essen.
Via Casale, 24, Matera

Da Zero
Pizzeria, die bei ihren Speisen viel Wert auf regionale und nachhaltige Produkte achtet und in den Fels hinein gebaut ist.
Via Madonna delle Virtù 13, Matera

Quattroquarti – Crosta e Mollica
Imbiss mit riesiger Auswahl an Pucce, typischen apulischen Sandwiches in allen möglichen Geschmacksrichtungen.
Via Ascanio Persio 25, Matera

Panifico Casa del Pane
Focaccia, Brot und süßes Gebäck für zwischendurch. Sehr günstig.
Piazza Vittorio Veneto 4, Matera

Supermercato Diva
Unerwartet großer Supermarkt mit kleiner Mittagstisch-Theke.
Piazza del Sedile 28, Matera

Kleiner Platz in der Altstadt
Irgendwo in Matera

Unterkunft in Matera

La Casa sul Cartile
Hübsches, kleines Apartment mitten in der Altstadt direkt am Dom. Bei Airbnb zu finden.
Via Riscatto 3, Matera

Blick durch eine schön erleuchtete Gasse
Von den Lampen in Matera bin ich auch begeistert – warmes Licht in der Nacht