Das Hamburger Auswanderermuseum

Das Auswanderermuseum BallinStadt – wie es sich selbst mit dem hässlichen Binnenmajuskel schreibt – befindet sich im Hamburger Stadtteil Veddel auf dem Gelände der hier ab 1901 errichteten sogenannten Auswandererhallen.

Aufgrund der sinkenden Auswandererzahlen nach dem Ersten Weltkrieg verloren die Hallen an Bedeutung, das Gelände wurde dann erst von der Waffen-SS genutzt, nach dem Krieg wurden hier ausgebombte Hamburger Familien untergebracht, ehe ein Teil der Gebäude der Wilhelmsburg Reichsstraße weichen musste. Die letzte verbliebene Halle, die noch als Restaurant genutzt wurde, wurde 2004 abgerissen.

Die heutigen Museumshallen sind „nur“ originalgetreu rekonstruierte Neubauten.

Ansicht des Museumseingangs
Willkommen im Auswanderermuseum BallinStadt

Was waren die Auswandererhallen?

Der damalige Generaldirektor der Hapag-Reederei, Albert Ballin, hatte schnell erkannt, dass er mit Auswanderern in den Zwischendecks eine Menge Geld verdienen konnte. Statt weniger exklusiver Passagiere in den Kabinen, wurden die Schiffahrtslinien so zum Massengeschäft.

Schreibtisch mit Fernsprecher und allerlei Utensilien drumherum
Das Büro des Herrn Generaldirektor

Nach der großen Cholera-Epidemie hatte Hamburg insbesondere osteuropäischen Auswanderungswilligen den Zutritt zur Stadt verboten. Daher entstanden zunächst am Amerikakai im Hafen, später hier auf der Veddel (mit eigenem Eisenbahnanschluss) Massenunterkünfte, in denen die Emigranten sich Gesundheitsuntersuchungen unterziehen und eine Quarantänezeit verbringen mussten.

Neben den Schlafsälen und zwei Hotels gab es zwei große Kantinen – eine für christliche Auswanderer und eine mit koscherer Küche für die meist vor Pogromen aus Osteuropa fliehende Juden. Zeitgleich konnten so 2.000 Menschen untergebracht werden. Die Reederei nannte die Auswandererhallen daher auch gerne „Das größte Gasthaus der Welt“.

Holzstützen, Betten und Info-Stellwände des Museums
Im Inneren der Auswandererhallen

Auch Spielplätze für Kinder (knapp ein Fünftel der Auswanderer waren unter zehn Jahre alt), ein Musikpavillon, eine evangelisch-katholische Kirche und eine Synagoge wurden gebaut. Das Gelände verlassen durften die Auswanderer allerdings nicht.

Für damalige Verhältnisse waren die sanitären Anlagen wohl vorbildlich. Auf einer der Schautafeln wird vermerkt, dass es Laken und Bettdecken gab und die Betten nach jeder Belegung desinfiziert wurden. Das war übrigens auch im Eigeninteresse der Hapag, da sie Emigranten, denen aus gesundheitlichen Gründen die Einreise in die USA verweigert wurde, auf eigene Kosten wieder mit nach Hamburg zurückbringen musste.

Rosa Freiheitsstatue, drumherum Fragen, die bei der Immigration in den USA gestellt wurden
Farblich hatte ich die Freiheitsstatue anders in der Erinnerung

Was gibt es im Auswanderermuseum zu sehen?

Hamburg als Tor zur neuen Welt

Insgesamt 5,6 Mio. Menschen sind zwischen 1850 und 1938 über Hamburg ausgewandert. Im Jahr 1913 allein waren es 170.000 Emigranten, die kurze Zeit in der Ballinstadt lebten und dann eines der zahlreichen Dampfschiffe, meist Richtung New York, betraten.

In der Ausstellung wird daher zuerst die Geschichte der Hapag-Reederei und ihres Generaldirektors Albert Ballin sowie natürlich der Auswandererhallen vorgestellt. Da von den Originalgebäuden und der Inneneinrichtung nichts mehr übrig ist, muss man sich mit Schwarz-weiß-Fotos, ein paar Betten und nachgebauten Kabinen der Schiffe begnügen.

Besonders eindrucksvoll fand ich Auszüge aus Briefen, die Auswanderer an ihre Familien in der Heimat geschrieben haben und darin die anstrengende und zeitaufwändige Anreise beispielsweise nur aus Sachsen mit Postkutschen und Zügen nach Hamburg beschrieben – und dann natürlich auch die Überfahrt in die „neue Welt“.

Große Truhen
Handgepäck ist das nicht mehr

Familienforschung ist möglich

Da sich die Auswanderungswilligen damals nicht nur mit Namen, Familienstand und Zielort, sondern auch mit ihrem Herkunftsort registrieren lassen mussten, steht Familienforschern im Auswanderermuseum ein interessanter Datenschatz zur Verfügung, der inzwischen natürlich komplett digitalisiert ist.

Stapel alter Koffer
Koffer – das Universal-Ausstellungsstück im Auswanderermuseum

Was sind die Schwerpunkte der Ausstellung?

Das Museum begnügt sich allerdings nicht mit einem Blick auf die Auswandererhallen, sondern setzt die Emigration der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg mit der heutigen Migration (bzw. auch mit der Immigration von angeworbenen „Gastarbeitern“, Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder der DDR und Spätaussiedlern aus der Sowjetunion) ins Verhältnis. Dabei wird deutlich, das Menschen damals wie heute aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen ihre Heimat verlassen und sich in eine ungewisse Zukunft begeben haben.

Hellblauer Trabbi vor allerlei Infos an den Wänden
Thema: Ost-West-Migration

Das wird besonders in einem Raum deutlich, in dem die Beweggründe einzelner Emigranten als Zitate an den Wänden stehen. Es ist beeindruckend, wie sehr sich da die Gründe und Hoffnungen der Menschen aus verschiedenen Jahrhunderten und verschiedensten Herkunftsländern und -regionen gleichen.

Darüber hinaus wird auch ein Blick auf die deutschen Auswanderer geworfen. Nicht im Sinne von TV-Sendungen wie „Goodbye Deutschland“, sondern mit Fokus auf deutsche „Kolonien“ – oder besser Communities – in den USA, Brasilien oder Südafrika. Und Amerikaner kommen in Original-Tönen zur Wort und erklären, was sie noch mit der deutschen Heimat ihrer Vorfahren verbindet.

Fotos der menschen mit Zitaten und Hörern für die O-Töne
Zeitzeugen mit deutschen Vorfahren

Für wen lohnt sich das Auswanderermuseum?

Ein Besuch im Auswanderermuseum in der Ballinstadt in Hamburg lohnt sich für alle, die sich für die Hochzeit der Auswanderung aus Europa interessieren, mehr über die Hamburger Geschichte erfahren und heutige Migrationsbewegungen in einen historischen Kontext eingeordnet bekommen wollen.

Zitate und Erinnerungsstücke an den Wänden
Erinnerungsstücke und Zitate von Migranten

Quick Facts
Auswanderermuseum

Anreise

Von der S-Bahnstation „Veddel (Ballinstadt)“ (S3/S31) ist es ein fünfminütiger Minuten Fußweg zum Museumseingang am Veddeler Bogen 2.

Öffnungszeiten

Montag-Dienstag geschlossen
Mittwoch-Sonntag, 10-16:30 Uhr

Eintritt

13 Euro für Erwachsene (ermäßigt 11 Euro),
7 Euro für Kinder (5-12 Jahre),
Familienkarte 21/28 Euro

Teppich und Stühle an der Wand, Kinderwagen, im Hintergrund ein Moped
Perspektivwechsel: Migration in verschiedenen Epochen