Ein Museumsbesuch dauert länger als 90 Minuten

In den vergangenen Jahren habe ich kaum noch Fußballspiele angeschaut. Irgendwie hat es seinen Reiz verloren, mehr oder weniger immer das Gleiche zu sehen.

Vor allem in der Bundesliga sind zu viele Mannschaften dabei, die mir völlig egal sind. Und in Sachen Meisterschaft hat sich etabliert: Eine Saison dauert 34 Spieltage und am Ende gewinnt Bayern München.

Trotzdem wollte ich mir mal anschauen, was in der selbsternannten Fußball-Hauptstadt Deutschlands (wie auch immer die auf diese Idee gekommen sind…), in Dortmund, im Deutschen Fußballmuseum so geboten und ausgestellt wird.

Und ich war dann selbst ganz überrascht, dass ich dort mehr als vier Stunden verbracht habe.

Trikots und weitere Ausstellungsstücke aus den 80er Jahren
Ein Fall fürs Museum: Der HSV

Was gibt es im Deutschen Fußballmuseum zu sehen?

Das 2015 eröffnete – und angeblich vom DFB aus den Gewinnen der WM 2006 finanzierte – Museum ist interaktiv und super-modern. Es gibt zahllose interaktive Elemente, interessante Exponate, aber auch klassische Ausstellungsstücke, wie Bälle und Trikots.

Das Museum verfügt über drei Ebenen, die „1. Halbzeit“, „2. Halbzeit“ und „Nachspielzeit“ genannt wurden und von oben nach unten durchlaufen werden.

Anpfiff

Nach den Kassen geht es mit der Rolltreppe ins zweite Obergeschoss – vor bei an gezeichneten Fußballfans in den Trikots der meisten Erst- und Zweitligisten. Zum Teil sind auch prominente Fans dabei, wie zum Beispiel Günter Grass im Trikot des VfB Lübeck, Campino im Rot-Weiß von Fortuna Düsseldorf und Kardinal Karl Lehmann mit Mainz 05-Schal.

Karl Lehmann mit Fanschal von Mainz 05
Fußball-Fans an der Rolltreppe

Die Ausstellung ist nicht ganz chronologisch, startet aber mit dem „Wunder von Bern“ und Fotos und Kurzbiographien der „Helden von Bern“. Auf einem alten Fernsehgerät laufen daneben die Höhepunkte des Finales.

Von 1954 gibt es natürlich deutlich weniger Videomaterial und Ausstellungstücke, als dies beispielsweise beim jüngsten WM-Titel 2014 der Fall ist.

Dafür steht hier der Trainer stärker im Mittelpunkt. Sepp Herberger scheint ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis gehabt zu haben, so dass hier zahlreiche Interview-Ausschnitte mit ihm zu sehen sind. Hochinteressant fand ich dabei auch seine Aufzeichnungen zu den 50- und 100-Meter-Sprintzeiten der 54er-Weltmeister im Trainingslager. Auch wenn das Spiel damals – meine Theorie ist: auch eben des schweren, nassen Lederballes – unglaublich langsam aussah, konnten die Spieler ohne Ball die 100 Meter in unter zwölf Sekunden, teilweise auch in elf Sekunden laufen.

Weltmeister im Mittelpunkt

Auch wenn natürlich im Museum die vier Weltmeistertitel den größten Raum einnehmen, kann man sich hier in Details der DFB-Geschichte seit der Gründung des Verbandes im Jahre 1900 verlieren.

Dazu gehörte dann irgendwann auch der Frauen-Fußball, den die Herren allerdings als ziemlich unschicklich empfanden und kurzerhand zwischen 1955 und 1970 verboten hatten. Geradezu legendär ist das Geschenk, dass der DFB den Fußballerinnen zum Gewinn des ersten Europameistertitels 1989 machten: Eine Kaffeeservice. Das ist zum Glück nun im Museum zu bewundern.

Kaffeeservice mit Blümchenmotiv
Kam wohl nicht so gut an…

An das Spiel der Bundesrepublik Deutschland gegen die DDR (0:1, Sparwasser) anknüpfend wird auch der DDR-Fußball beleuchtet – mit den Meistern, Pokalsiegern, aber auch Republikflüchtlingen wie Jörg Berger und Lutz Eigendorf.

Lebensläufe geflüchteter DDR_Fußballer
Geflüchtete DDR-Fußballer

Ungewöhnliche Ausstellungsstücke

Die „Lichtgestalt“ Franz Beckenbauer musste natürlich auch so etwas wie seinen eigenen Schrein, angelegt an seine Trikotnummer, in Form einer Fünf bekommen.

Ausstellungsstücke in einer 5
Alles zu Beckenbauer

Als einer von nur drei Fußballern, die als Spieler und Trainer Weltmeister wurden, wahrscheinlich angemessen. Außerdem verdankt das Museum Franz Beckenbauer mein Lieblingsexponat im Museum: Eine sehr eigenwillige Jacke vom usbekischen Fußballverband.

Schwarze Jacke mit Stickereien an den Ärmeln und am Halsausschnitt mit großem Logo-Aufdruck des usbekischen Fußballverbandes
Kaum getragen – das Geschenk des usbekischen Fußballverbandes

Weitere meiner Lieblingsausstellungsstücke: Die handschriftlichen Notizen, die sich der Kommentator des WM-Finales, Tom Bartels vor dem Finale zu den deutschen und argentinischen Spielern gemacht hatte.

Handschriftliche Notizen des Kommentators für das WM-Finale 2014
Tom Bartels konnte das wahrscheinlich selbst nicht mehr lesen

Auch schön: Der Trainingsplan der Mannschaft bis zum Finale. Oder die – zum Glück in einer schalldichten Kabine untergebrachten – WM-Songs der deutschen Nationalmannschaft aus den 70er und 80er Jahre. Schlimme Ohrwürme sind hier garantiert. Ich sage nur: „Mexico mi amor“ oder „Viva España“.

Fußball-Nationalspielern mit furchtbaren Frisuren beim Singen eines WM-Songs
Früher war nicht alles besser

Langweiliges Kino

Die „1.Halbzeit“ endet in einem 3D-Kino mit Hologrammen der Weltmeister Thomas Müller, Lothar Matthäus und Paul Breitner, die sich miteinander sowie mit, aus Interview-Ausschnitten zusammensetzt, Sepp Herberger unterhielten. Hinzu kommt Leroy Sané als Vertreter einer möglichen zukünftigen Weltmeister-Generation. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gut gemacht, kann man zu diesem Kino nur sagen.

Die „2. Halbzeit“ beginnt mit der „Schatzkammer“ des DFB und den Replika der Weltmeisterschafts- und Europameisterschafts-Pokalen. Langweiliges Standard-Meseumsprogramm.

WM- und EM-Pokale in Vitrinen
Die sogenannte Schatzkammer des DFB

Auf dieser mittleren Eben lässt dann auch so langsam meine Kondition nach – die Geschichte der Bundesliga habe ich nicht mehr bis ins letzte Detail studiert. Die Schiedsrichter habe ich ebenso links liegen gelassen wie das Thema „Medien und Fußball“ (wer sich dafür interessiert, kann hier auch Ausschnitte von Fußballspielen in einer nachgebauten Sky-Kabine kommentieren).

Hall of Fame

In den letzten Räumen stehen dann die Namen sämtlicher Nationalspieler seit 1903 an den Wänden – und die im letzten Jahr ausgewählte Elf der Hall of Fame wird vorgestellt.

Im Souterrain des Museums folgen dann in der „Nachspielzeit“ noch Mitmach-Felder: Ein Kleinspielfeld, ein Dribbelparkours, eine Torwand sowie ein Reaktionsschnelligkeitsspiel.

Theke mit dunklem Holz, darauf Schirmlampen mit Szenen früherer Weltmeisterschaften
Die Theke aus dem WM-Quartier 2014: Wohin damit? – Ab ins Fußballmuseum

Für wen lohnt sich das Fußballmuseum?

Dumme Frage. Für Fußballfans natürlich. Vor allem für die, die mehr zur Geschichte des Fußballs in Deutschland erfahren wollen, ein Faible für zum Teil ungewöhnliche Ausstellungsstücke haben oder einfach ihre Erinnerungen an große Fußball-Ereignisse auffrischen wollen.

DFB-Trikot mit der Nummer 16 von Mario Götze
Darf natürlich nicht fehlen: Das Trikot des Finaltorschützen

Quick Facts Fußballmuseum

Anreise

Für das Deutsche Fußballmuseum bietet sich eine Anreise mit der Bahn an – das Museum liegt direkt gegenüber vom Hauptbahnhof Dortmund.

Öffnungszeiten

Di-So, 10-17 Uhr

Eintritt

Ich fand die 17 Euro Eintrittsgebühren für das Deutsche Fußballmuseum ehrlich gesagt ziemlich happig. Wenn man seine Tickets vorher online bucht, spart man immerhin zwei Euro pro Eintrittskarte.

An der Tageskasse gelten folgende Preise:
Erwachsene: 17 Euro
Kinder unter 14 Jahre, Schüler & Studenten: 14 Euro

Außenansicht des Fußballmuseums
Und so sieht das Museum von außen aus