Der Ort mit den vielleicht schönsten Sonnenuntergängen Hamburgs
Neuwerk ist einer der unbekanntesten Stadtteile von Hamburg – und der am weitesten entfernt liegende. Luftlinie ist die Insel 106 Kilometer vom Hamburger Rathaus entfernt. Vielen Hamburgern ist wahrscheinlich noch nicht einmal bekannt, dass Neuwerk überhaupt zu Hamburg gehört.
Und wenn, dann meist, weil der eine oder Hamburger Tatort dort spielte. 1996 ermittelten hier die Kommissare Stoever und Brockmöller („Tod auf Neuwerk„) und mussten 2001 nochmal dorthin („Tod vor Scharhörn„). Und Nick Tschiller hat dort 2020 auf sein Disziplinarverfahren gewartet („Tatort: Tschill Out„). In allen Fällen war es dort immer eher düster und ungemütlich – ein Tatort bei strahlendem Sonnenschein macht wahrscheinlich auch nicht so viel her.
Ich habe Neuwerk hingegen im Sommer als sonnig und wahnsinnig einladend erlebt – inklusive eines spektakulären Sonnenuntergangs.
Warum gehört Neuwerk überhaupt zu Hamburg?
Von Neuwerk bis zum Festland in Cuxhaven sind es von Neuwerk aus nur acht Kilometer – warum also gehört die Insel (neben den unbewohnten kleineren Nachbarinseln Scharhörn und Nigehörn) zu Hamburg und nicht zu Niedersachsen?
Das ist eine lange Geschichte…
Tatsächlich gehörte Neuwerk von 1937 bis 1969 zu Preußen bzw. Niedersachsen, nachdem Hamburg die Insel erst im Rahmen des Groß-Hamburg-Gesetzes abgeben, sie im Tausch gegen Hafenflächen in Cuxhaven aber wieder zurückbekommen hat.
Von Bedeutung wurde die bis dahin unbewohnte Insel im Jahr 1310, als Hamburg hier einen Wehrturm errichten ließ, um die Elbmündung und den Warenverkehr vor Seeräubern zu schützen. Der Leuchtturm, zu dem der Wehrturm zwischenzeitlich ausgebaut wurde, hat für den Seeverkehr heute keine Bedeutung mehr. Sein Leuchtfeuer wurde 2014 abgeschaltet und durch ein „privates Feuer“ von der Stadt Hamburg als Rundumlicht mit nur 3 Seemeilen Sichtweite ersetzt.
Politisch gehört Neuwerk zum Bezirk Hamburg-Mitte. In Verhandlungen mit den Behörden werden die 21 Einwohner durch ihren gewählten Insel-Obmann vertreten.
Was sind die Sehenswürdigkeiten von Neuwerk?
Eine Top 10-Liste der Sehenswürdigkeiten oder Highlights von Neuwerk wird schwierig – dafür ist die Insel mit ihren offiziell 3,3 Quadratkilometern einfach zu klein. Dafür kann man alles Sehenswerte gut bei einem Spaziergang über die Insel kennenlernen: Einmal am Deich entlang ist eine Inselumrundung nach vier Kilometern erledigt.
Der Leuchtturm
Das Wahrzeichen von Neuwerk ist der schon erwähnte Leuchtturm. Der ist auch mit einem kleinen Extradeich nochmals gegen Sturmfluten gesichert. Bei der großen Sturmflut 1976 mussten hier alle Einwohner Zuflucht suchen, als die Gefahr bestand, dass der Hauptdeich bricht.
Am Leuchtturm und dem nur einen Steinwurf entfernten Inselladen halten auch alle Wattwagen der Tagesausflügler aus Cuxhaven. Dann – und nur dann – wird es hier mal kurzzeitig hektisch, ehe die Wagen wieder zurück zum Festland fahren.
Ganz nebenbei ist der Leuchtturm übrigens auch das älteste noch erhaltene Gebäude Hamburgs und gilt als der älteste Profanbau an der deutschen Nordseeküste. Zu besichtigen ist der 45 Meter hohe Turm zur Zeit nicht, nach 700 Jahren war mal eine Grundsanierung nötig.
Friedhof der Namenlosen
Wie an vielen Orte an der Nordseeküste gibt es auch auf Neuwerk einen Friedhof der Namenlosen. Hier wurde alle die beerdigt, die in früheren Jahrhunderten im Meer ertrunken und auf der Insel angespült wurden. Für sie gibt es hier ein Holzkreuz und einen Gedenkstein.
Die Neuwerker werden übrigens nicht auf der Insel, sondern auf dem Festland bestattet.
Inselschule
Seit 1927 gibt es eine kleine Inselschule auf Neuwerk. Hier können Neuwerker Kinder ihre Grundschulzeit verbringen, ehe sie danach bei Verwandten in Cuxhaven wohnen und dort zur Schule gehen oder in ein Internat nach Bad Bederkesa wechseln.
Seit 2020 leben allerdings keine schulpflichtigen Kinder mehr auf der Insel. Wie das Schulleben in Hamburgs kleinster Schule bis dahin ausgesehen hat, kann man auf der Website der Schule erfahren.
Nationalparkhaus Neuwerk
Im kleinen Nationalparkhaus findet man eine kleine Ausstellung über das Wattenmeer und seine tierischen Bewohner, aber auch Informationen zur Geschichte der Insel Neuwerk.
Außerdem gibt es hier Toiletten – vielleicht auch für Tagesbesucher ganz wissenswert, die sich beim nahegelegenen Inselladen nicht in die lange Warteschlange einreihen wollen.
Deichvorland
Außerhalb des Hauptdeiches liegt auf Neuwerk das sogenannte Deichvorland, das im Norden und Osten einen Großteil der Inselfläche einnimmt. Es wird trotz eines niedrigen „Sommerdeichs“ immer wieder mal überflutet und durch Siele und Schleusen entwässert.
Mit seinen Salzwiesen ist das geschützte Deichvorland ein Paradies für einheimische und durchziehende Vögel – und damit auch bei Ornithologen sehr beliebt.
Für Vogelunkundige wie mich gibt es da nur jede Menge Gezwitscher und viel von Wasserläufen durchzogenes Land. Als Sichtmarken stehen da außerdem noch die Ostbake, die nach dem Orkan Kyrill 2007 neu aufgebaut werden musste, und der 52 Meter hohe, und für Neuwerk etwas überdimensioniert wirkende neue Radarturm im Nordwesten.
Fazit: Warum sollte man nach Neuwerk fahren?
Nach Neuwerk fährt man, um Ruhe zu haben.
Sobald die Tagesausflügler wieder weg sind, ist es hier sehr, sehr ruhig. Wer man als eine Nacht bleibt, sollte sich also ausreichend Bücher zur Unterhaltung mitbringen – oder zumindest ein großer Vogelfan sein.
Aber wer Ruhe mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Einen Badestrand gibt es nicht, dafür kann man auf dem Deich sitzen und dem Meer dabei zuschauen, wie es kommt und geht. Nervigen privaten Autoverkehr gibt es hier auch nicht, nur hin und wieder sieht man einen Kleinlaster der Hamburg Port Authority, die sich auf der Insel um alle Infrastrukturangelegenheiten kümmert.
Und im Übrigen sind nicht nur die Sonnenuntergänge, sondern auch die Sonnenaufgänge auf Neuwerk sehenswert – mindestens eine Übernachtung lohnt sich also auf jeden Fall.