Auf ins Weltkulturerbe
Nur knapp 30 Kilometer von Lissabon entfernt liegt das 10.000 Einwohner-Städtchen Sintra, das ich sofort auf meine Besuchsliste gesetzt habe, nachdem ich ein Foto des farbenprächtigen Nationalpalastes Pena gesehen hatte.
Sintra wurde ab dem 16. Jahrhundert offenbar zu einem beliebten Rückzugsort für Adlige, die hier zahlreiche Paläste und Herrenhäuser bauen ließen. Ende des 19. Jahrhundert entdeckte dann auch das Großbürgertum die Stadt und auch Schriftsteller wie Lord Byron oder Hans Christian Andersen waren von Sintra begeistert.
Das Vermächtnis dieser Hochzeit von Sintra ist eine Vielzahl an gut erhaltenen Palästen, die „der Kulturlandschaft Sintra“ 1995 einen Platz auf der Liste des Weltkulturerbes einbrachten.
Man muss sich aber, wenn man dort nicht mehrere Tage verbringen und wegen der Eintrittspreise in jedem Palast arm werden möchte, auf ausgewählte Paläste konzentrieren. Bei mir waren das der Palácio Nacional da Pena und die Quinta da Regaleira, deren Besuch ich sehr empfehlen kann.
Palácio Nacional da Pena
Mitten im Wald auf dem Gipfel eines Granitfelsens steht der Nationalpalast Pena (zu deutsch auch: Kummerpalast), dessen Bau der damalige Königingemahl Ferdinand II. 1840 in Auftrag gab. Der gebürtige Print von Sachsen-Coburg und Gotha beauftragte den preußischen Geologen und Bergmann Ludwig von Eschwege, der sich hier – angeblich inspiriert von Burgen am Rhein – auf den Ruinen eines Klosters aus dem 16. Jahrhundert austoben durfte.
Das Ergebnis ist, nun ja, speziell. Ein Durcheinander aus Zinnen, Türmen, Toren und Aussichtsplattformen. Ein irgendwie verstörendes Potpourri aus Farben und Baustilen. Außen finden sich Elemente der Neorenaissance, der Neogotik und der Neo-Manuelinik. Innen kommen auch noch Neobarock und Neorokoko hinzu.
Nicht zuletzt diesem Schloss verdank Ferdinand II. wohl seinen Beinamen „Künstlerkönig“. Und Ludwig II. wurde hier zum Bau für sein Schloss Neuschwanstein inspiriert, heißt es. Die portugiesische Königsfamilie nutzte das Schloss noch bis zu ihrer Abdankung 1910 als Sommerresidenz.
Der Speisesaal des Pena-Palastes Fenster in der kleinen Kapelle des Schlosses Königliches Schlafzimmer – geschmackvoll sieht anders aus
Rund um den Palácio Nacional da Pena liegen die Schlossgärten mit tropischen Pflanzen und Farnen sowie dem Chalet da Condessa d’Edla (kostet nochmal extra Eintritt!), das Ferdinand II. für seine zweite Ehefrau bauen ließ.
Lohnenswert ist ein kleiner Spaziergang durch die Wälder zum Cruz Alta, einem Gipfelkreuz in 529 Metern Höhe, von dem man auch nochmal einen Blick auf das Schloss in etwa einem Kilometer Entfernung hat.
Die Quinta da Regaleira
Die Quinta da Regaleira (zu deutsch: das Anwesen von Regaleira) ist eine vier Hektar große Gartenanlage, auf dem der portugiesische Millionär António Augusto Carvalho Monteiro zwischen 1904 und 1920 einen eigenwilligen Palast bauen und Grotten, Brunnen und Aussichtspunkte anlegen ließ.
Was man „Monteiro, dem Millionär“, wie er in Sintra damals genannt wurde, nicht absprechen kann, ist mangelnde Fantasie. Mit Hilfe des italienischen Architekten Luigi Manini entstand hier etwas Einzigartiges, bei dessen Anblick man ständig zwischen Bewunderung und Verachtung schwankt.
Die Quinta da Regaleira Verspieltes Design auch im Inneren
Wie beim Palácio da Pena scheint auch hier jemand mit sehr viel Geld alle seine Ideen in einem Palast verwirklichen zu wollen. Von außen führt das eben zu einem bunten Mix an Baustilen und Zierelementen, im Inneren hat es ein bisschen was von Downton Abbey: Wohnzimmer, Speisesaal und Billardraum im Erdgeschoss, Büro und Schlafzimmer der weiblichen Angestellten im ersten Obergeschoss, während das männliche Personal im Keller untergebracht war.
Auf dem Gelände gibt es neben einem profanen Tennisplatz zahlreiche burgenartige Aussichtspunkte mit Türmen und Brüstungen. Am beeindruckendsten ist allerdings der Initiationsbrunnen.
Dieser Brunnen wurde wegen seiner Tiefe von 27 Metern und der umlaufenden Wendeltreppe mit ihren steinernen Bögen auch als „umgekehrter Turm“ bezeichnet, was es ziemlich genau trifft. Der Sinn dieses Brunnens, der nie als Wasserquelle diente, hat sich mir nicht so ganz erschlossen. Es soll wohl irgendetwas mit Tarot-Initiationsriten oder Freimaurer-Mythen zu tun haben – aber damit kenne ich mich mal überhaupt nicht aus. Aber vielleicht deutet das alles ja darauf hin, dass „Monteiro, der Millionär“ ein sehr spezieller Charakter war.
Die Wendeltreppe im Initiationsbrunnens Der „umgekehrte“ Turm
Fazit: Lohnt sich ein Besuch in Sintra?
Ja, auf jeden Fall.
Die Altstadt von Sintra ist ganz nett und die Paläste sollte man einfach mal gesehen haben. So viel Exzentrik sieht man in der Architektur selten an einem Ort.
Anreise nach Sintra mit dem Zug
Von der Station Rossio in Lissabon fährt alle 20 Minuten eine Regionalbahn von Comboios de Portugal in rund 45 Minuten bis Sintra.
Unterkunft in Sintra
Nette, kleine Pension die zur Café-Bar im Erdgeschoss gehört. 5 Minuten Fußweg von der Bahnstation Portela de Sintra entfernt.
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