Von außen kaum erkennbar

Wenn man nichts vom Tiefbunker am Hamburger Hauptbahnhof wüsste – man würde nichts von ihm mitbekommen. Zum einen, weil er unter der Erde ist, klar. Zum anderen aber auch, weil die Eingänge mittlerweile sehr gut versteckt sind. Die Abgänge verbergen sich unter ausklappbaren Metallplatten, auf denen normalerweise Stühle und Tische der Restaurants auf der Steintorwallseite des Hauptbahnhofs stehen.

Nur für Führungen werden die Zugänge geöffnet und man kann die Unterwelt besichtigen.

Blick auf eine Bunkertür und ein Plakat des Vereins
Der Verein Hamburger Unterwelten veranstaltet die Besichtigungen in Eigenregie

Wie kann man den Bunker am Hauptbahnhof besichtigen?

Der Verein Hamburger Unterwelten kümmert sich um den Erhalt des Bunkers und bietet immer wieder mal Führungen an. Da die Vereinsmitglieder dies ehrenamtlich machen, gibt es nur eine überschaubare Zahl an Führungen pro Monat – eine frühzeitige Buchung ist bei einem Hamburg-Besuch also empfehlenswert.

Die Tour dauert etwa zwei Stunden und kostet acht Euro (ermäßigt: 6 Euro). Da es im Bunker immer etwa zwölf Grad warm (oder kalt) ist, sollte man sich im Sommer unbedingt noch einen Pullover oder eine Jacke mitbringen, auch wenn unten für Notfälle auch Decken ausgegeben werden.

Schaufensterpuppe sitzend in einem Raum mit allerlei technischem Equipment
Den einzigen Kontakt zur Außenwelt hätte der Bunkerwart herstellen können

Bunker oder Schutzraum?

Umgangssprachlich wird von diesem Gebäude immer von einem Bunker, teilweise sogar von einem Atombunker, gesprochen. Rein verwaltungsrechtlich handelte es sich hier aber nur um einen „Schutzraum“, da er mit seinen 3,75 Meter dicken Wänden zwar gut vor „konventionellen“ Bomben und Granatsplittern geschützt, einem direkten Atombombentreffer aber nicht standgehalten hätte.

Aber natürlich sieht der Bunker am Steintorwall aus wie ein Bunker – und daher bezeichne ich ihn hier auch als solchen.

Wasserleitungen mit vielen Ventilen
Die Wasserversorgung im Bunker

Eine kurze Geschichtsstunde

Im Zweiten Weltkrieg

Gebaut wurde der dreistöckige Tiefbunker in den Jahren 1941 bis 1943, um Reisende am Hauptbahnhof im Falle eines Luftangriffes schützen zu können. Direkt unter den Gleisanlagen konnte kein Bunker gebaut werden, erstens die Gründungspfähle des Bahnhofsgebäudes zu tief in die Erde reichten und zweitens der Bunker nicht in offener Bauweise hätte errichtet werden können.

Daher ist der Bunker direkt vor den Bahnhof in den Untergrund gesetzt worden und zwängt sich nun zwischen die Westfassade und den Wallringtunnel.

Das Gebäude besteht dabei aus zwei baugleichen Nord- und Südflügeln, die unterirdisch nur durch einen Notdurchstieg verbunden waren, ansonsten aber autark betrieben werden konnten. Wobei der Nordteil allerdings vor Abschluss der Bauarbeiten durch Bomben zerstört wurde, während der Südteil rechtzeitig vor den schweren Luftangriffen im Juli 1943 seiner Bestimmung übergeben wurde.

Sitzbänke im Vordergrund, im Hintergrund eine offene kleine Klappe zu einem weiteren Raum
Normalerweise war dieser Notdurchgang zum Nordteil des Bunkers verschlossen

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Die meisten Bunkeranlagen in Hamburg wurden direkt nach Kriegsende von den Alliierten gesprengt – mit dem Tiefbunker am Steintorwall ging dies nicht ohne den Hauptbahnhof schwer zu beschädigen. Also blieb er stehen und wurde in den ersten Nachkriegsjahren zivil genutzt – zum Beispiel als Notunterkunft oder als günstiges Hotel für Reisende, die vergeblich auf Züge warteten.

Die Hotelbewertungen für kalte Räume ohne Fenster, mit Betten nur in Schlafsälen mag man sich nicht ausmalen. Aber Luxus war damals eben grundsätzlich Mangelware.

Im Kalten Krieg

Anfang der 1960er Jahre wurde das „Schutzbaugesetz“ erlassen, mit dem im Kalten Krieg und direkt nach der Kubakrise neue Bunker gebaut und alte wieder hergerichtet werden sollten.

So wurde auch der Tiefbunker Steintorwall ausgebaut: neue Türen, Luftfilteranlagen, Dieselgeneratoren – alles was man brauchte, um zwei Wochen im Bunker ausharren zu können. Ausgerichtet war der Bunker offiziell für genau 2.702 Menschen – jeweils 1.351 im Nord- und im Südteil.

Heute

Heute wird der Bunker nur noch für die Führungen des Vereins Hamburger Unterwelten genutzt. Eine Schutzfunktion hat das Gebäude nicht mehr, seit nach dem Ende des Kalten Krieges eine militärische Bedrohung ausgeschlossen schien.

Blick auf den Dieselgenerator
Der Dieselgenerator wurde in Einzelteilen in den Bunker gebracht und dort zusammengebaut

Was gibt es im Bunker zu sehen?

Auf dem Weg in den Bunker

Was beim Hinabsteigen durch das Treppenhaus auffällt: Es riecht ein bisschen feucht und muffig unten im Bunker und: als Schutz vor Bombensplittern und Schrapnellen wird man erst einmal um ein paar Ecken geführt, bevor man vor einem Drehkreuz steht.

Experten sprechen hier natürlich von „Personenvereinzelungsanlagen“ – im Ernstfall hätte ein solches Drehkreuz dazu geführt, dass nur so viele Menschen in den Bereich der Haupteingangstore gekommen wären, wie auch in den Bunker gepasst hätten.

Blick ins Treppenhaus des Bunkers mit Hinweisschildern auf den Ausgang
Sitzplätze auch im Treppenhaus

Unten im Bunker

Vor dem eigentlichen Rundgang gibt es noch einen kleinen Vortrag zur Geschichte des Bunkers. Was dabei für mich auch neu war: Die heutige Tiefgarage unter dem Spielbudenplatz hatte eine Vorgeschichte als Schutzbunker. Dieser wurde etwa zur gleichen Zeit gebaut wie der am Hauptbahnhof.

Beim Gang durch den Bunker bekommt man die Einrichtung aus der Zeit des Kalten Krieges zu sehen: Die Holzsitze (mit Sicherheitsgurten – angeblich damals von einer Firma geliefert, die kurz vor dem Bankrott stand und diesen staatlichen Auftrag gut gebrauchen konnte, obwohl Sitzgurte hier wohl eher überflüssig waren) mit ihren Schaumstoff-Kopfstützen. Hier hätten die Menschen im Kriegsfalle 16 Stunden pro Tag herumsitzen müssen. Ohne WLAN, Fernsehen oder sonstige Ablenkungsmöglichkeiten.

Blick auf mehrere Holzsitze
Holzklasse für alle – aber immerhin mit Kopfstützen aus Schaumstoff

Die anderen acht Stunden waren fürs Schlafen eingeplant – im Schichtbetrieb. Die dafür vorgesehenen Liegen waren in großen Schlafsälen untergebracht und nicht sonderlich bequem. Die Bunkerinsassen hätten hier Kopf an Kopf und Fuß an Fuß auf drei Etagen mit anderen Menschen gelegen. Auf Liegen, die nur 1,80 Meter lang waren.

Stockbetten im Schlafsaal
Spätestens bei diesem Schlafsaal wäre ich abgereist…

Privatsphäre hätte man höchstens ein paar Minuten auf den wenigen Toiletten haben können. Die Kabinen waren allerdings auch nicht abschließbar, sondern nur mit einem Vorhang abgetrennt.

Die einzige Küche, bei der man sich dreimal täglich mit einem Plastikteller, einem Plastikbecher und einem Löffel hätte anstellen können, erscheint mit vier Kochplatten deutlich unterdimensioniert für die Versorgung von 1.351 Menschen in diesem Bunkerteil.

Schüsseln, Löffel, Tassen und eine leere Dose mit Gulaschsuppe
Blick in die karge Küche

Im kleinen Krankenzimmer sind mir besonders die durchsichtigen Leichensäcke in Erinnerung geblieben. Die wurden angeschafft, weil sie länger lagerbar waren als schwarze Säcke. Personal für dieses Krankenzimmer hätte sich übrigens spontan finden müssen: Man war einfach davon ausgegangen, dass sich unter den Menschen im Bunker schon rein statistisch ausgebildete Pflegekräfte oder Ärztinnen befinden würden.

Blick ins Krankenzimmer mit einem internen Telefon und einem Schrank mit Medikamenten und Windeln
Im Krankenzimmer: Windeln und Leichensäcke wären vorhanden gewesen

Was bleibt von der Führung hängen?

Insgesamt stellet man sich bei dieser Tour durch den Bunker immer wieder die Frage: Was um Himmels Willen haben sich die Verantwortlichen bei diesem Bunker gedacht? Und dann: Hätte man da im Ernstfall wirklich zwei Wochen verbringen wollen?

Zwei Wochen waren nämlich die maximale Zeit, für die man den Bunker hätte betreiben können. Und auch das nicht spontan: Für Vorbereitungsmaßnahmen und das Einlagern von Nahrungsmitteln war ein Vorlauf von sechs Monaten geplant. Man ist offensichtlich davon ausgegangen, dass sich im Kalten Krieg ein heißer Krieg frühzeitig angekündigt hätte.

Oder man ist insgeheim davon ausgegangen, dass man die Zivilbevölkerung eh nicht adäquat hätte schützen können. Im Falle einer atomaren Verstrahlung der Außenwelt wären zwei Wochen im Bunker ja auch nur ein Warten auf den Tod draußen gewesen.

Schwarz-gelb gestreifte Sicherheitstüren
Schwere Stahltüren schützen den Bunker