Ein Besuch im Hannover des Nordens

Kiel ist keine Schönheit. Böse Zungen nennen es auch das Hannover des Nordens.

Okay, Google behauptet, dass ich da der Einzige bin. Aber dann habt Ihr es eben hier zuerst gehört.

Kiel. Symbolbild.

Kiel hatte es aber auch nicht leicht. Im Stadtmuseum Warleberger Hof (Dänische Straße 19,Kiel) läuft gerade die gute Ausstellung „Luftkrieg und Heimatfront“. Demnach wurde bei Luftangriffen hauptsächlich zwischen 1942 und 1945 etwa 70-75 Prozent des Wohnraums in Kiel zerstört. Grund für die massiven Luftangriffe war natürlich die Marine- und Werftinfrastruktur in der Kieler Förde.

Die großen Fehler aus heutiger Sicht sind dann beim Wiederaufbau der Innenstadt gemacht worden. Die Altstadt ist heute keine Altstadt, sondern im Wesentlichen eine Ansammlung austauschbarer Geschäftsgebäude mit den üblichen Filialgeschäften. Und wer den Alten Markt geplant hat, hat Architektur nie geliebt.

Und was sind nun die schönen Seiten Kiels?

Rathaus und Kleiner Kiel

Kurze Regenpause für ein Foto des Rathauses genutzt

Um etwas Leben in die Stadt zu bringen, wird gerade der „Kleine Kiel-Kanal“ gebaut, um eine Art Fleet vom gleichnamigen kleinen See zur Förde zu führen. Der Kleine Kiel grenzt an den Rathausplatz – und ist quasi der Maschsee Kiels. Das, was man tatsächlich als schöne Ecke bezeichnen kann.

Ansonsten profitiert die Stadt von seiner Lage an der Förde. Die Stadt selbst nennt das dann auch „Erlebnisraum Förde

Kiellinie

Hafenanlagen

Auf der Straße Kiellinie (ehemaliges Hindenburg-Ufer) kann man kilometerlang am Wasser entlanglaufen. Es gibt zwar den (zur Zeit stillgelegten) Fähranleger Bellevue, aber die Aussicht aufs andere Ufer der Förde ist eher was für Kenner von Hafen- und Industrieanlagen.

An zum Teil leerstehenden Kasernen vorbei kommt man irgendwann auch bis zum Aussichtspunkt Kiel-Wik am Nord-Ostsee-Kanal.

Nord-Ostsee-Kanal

Fast geschafft: Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals

Im Vergleich zum Panamakanal wirkt das Ganze natürlich etwas zweitklassig, aber das ist wohl nur mein Problem.

Vom Aussichtspunkt kann man die Schiffe in den großen Schleusen zwar aus der Nähe sehen, eine bessere Übersicht bietet allerdings die Holtenauer Hochbrücke. Genau genommen handelt es sich um zwei Brücken – empfehlenswert ist nur die Aussicht von der östlichen Brücke mit dem Blick auf die 1914 gebauten großen Schleusen und die kleinen Schleusen, die schon kurz nach der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals 1895 zu klein wurden.

Das Ende ist der Anfang: Nord-Ostsee-Kanal

Förde-Fähre

Mit der Fähre kann man sich – wenn man den Fahrplan aufmerksam studiert – seine eigene Förde-Kreuzfahrt zusammenstellen.

Meine Kreuzfahrt war an einem Sonntagmorgen eine fast einsame Angelegenheit. Lag wohl am Wetter: Grauer Himmel, Nieselregen, Büschen Wind. Eigentlich gutes norddeutsches Ausflugswetter

Symphonie in Grau

Zu sehen bekommt man um diese Zeit eine Riesenfähre der Stena Line, die am Schwedenkai festmacht, aber weiter draußen auch Containerschiffe, die den Nord-Ostsee-Kanal als Ziel haben und natürlich einige frühe Segler. Das hier war immerhin das Segelrevier für die Olympischen Spiele 1936 und 1972.

Ehrenmal in Laboe

Vom Fähranleger Laboe sind es nur ein paar hundert Meter zum ehemaligen Marine-Ehrenmal. Dieses ist inzwischen allen Opfern – auch den zivilen – der Seefahrt gewidmet. Und das ist gut so, denn die ausgestellten am Ehrenmal niedergelegten Kränze von Angehörigen und Marineeinheiten aus aller Welt wirkten doch etwas befremdlich auf mich. Und die, auf die in beiden Weltkriegen verstorbenen Seeleute der deutschen Kriegsmarine verweisende, Inschrift „Sie starben für uns“ wirkt doch reichlich aus der Zeit gefallen. Zumal ich den Wahrheitsgehalt dieses Opferkults auch direkt nach den Kriegen zweifelhaft gefunden hätte.

Elegant geschwungen: Ehrenmal Laboe

Ich kann allerdings verstehen, dass das Mahnmal vielen Angehörigen verschollener Seeleute wichtig war. Entsprechende Hinweise geben auch relativ neue Kränze und Gestecke in der unterirdischen Gedenkhalle. Eine Ausstellung erläutert zudem die Geschichte der deutschen Marine seit dem 19. Jahrhundert.

Der Aussichtsturm des von 1927 bis 1936 erbauten Ehrenmals ist architektonisch sehr gelungen und strahlt mit seiner geschwungenen Rückseite eine gewisse Leichtigkeit aus. Die Aussichtsplattform in 63 Meter Höhe lohnt sich wirklich nur bei gutem Wetter.

U995

Keine Handbreit Wasser unter dem Kiel

Um die Ecke liegt an Land auch das U-Boot U995, das als „technisches Museum“ geführt wird. Der Fachmann sieht natürlich sofort, dass es sich um ein U-Boot des Typs VII C/41 handelt. Gebaut 1943 von Blohm & Voss in Hamburg, war es bis Kriegsende im Einsatz und ist dann bis 1965 noch von der norwegischen Marine genutzt worden.

Im Inneren wirkt das U-Boot deutlich größer, als ich nach Eindrücken aus Filmen und Reportagen erwartet hätte. Aber vielleicht lag dies auch am Corona-Mindestabstand von vier Metern zu anderen Besuchern. Und natürlich war da trotzdem wenig Platz zum Schlafen, geschweige denn für ein bisschen Privatsphäre.

Schilksee

Früher modern, heute immerhin noch Fördeblick

Ich bin mit der Fähre von Laboe auf die andere Seite der Förde nach Strande übergesetzt und dann bis Schilksee, dem Olympiahafen (jetzt ist hier noch der Olympiastützpunkt der Segler) von 1972. Die Bauten die damals absolute state-of-the-art waren, sind natürlich etwas in die Jahre gekommen. Aber ich habe mich sehr an der funktionalen Architektur der späten 60er / frühen 70er Jahre erfreut. Und im Hafen ist immer was los und Kiel unterstreicht hier den eigenen Claim als „Sailing City.“

Man sieht den Hafen vor lauter Booten nicht

Essen 

Sakura Sushi
Wenn man denn mal die Aufmerksamkeit der Bedienung erhascht und das Essen kommt, ist des sehr gut. 
Schevenbrücke 7, Kiel

Unterkunft

the niu Welly (*)
Top-modernes Hotel, schöne Zimmer. Sehr zentrale Lage.
Andreas-Gayk-Strasse 10, Kiel

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