Für wenig Geld über Nacht von Georgien nach Armenien

In Europa kommen Nachtzüge mit Schlafwagen ja im Zuge des klimabewussteren Reisens wieder in Mode. Zwischen Tiflis (oder auch Tbilisi) und Eriwan (oder auch Yerevan oder Yerewan) und umgekehrt gibt es dieses Angebot schon länger und es ist eine großartige Möglichkeit, um im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht von einer Hauptstadt in die andere zu kommen.

Ich bin in diesem Jahr beide Strecken gefahren und werde im folgenden alles aufführen, was man zu dieser Fahrt wissen muss oder wissen sollte: von Preisen, Tickets, Abfahrtzeiten bis zur Ausstattung des Zuges.

Zug am Bahnsteig im regen in der
Tiflis im Regen – der Zug ist abfahrbereit

Wie kommt man an Tickets?

Auf der Website der georgischen Bahn findet man nur die Abfahrtszeiten der Nachtzüge nach Eriwan und auf der Website der armenischen Bahn funktioniert die englische Fassung gar nicht. Eine Buchung ist online somit nicht möglich. Dafür muss man direkt zum jeweiligen Bahnhof.

Update (02.05.2023):

Inzwischen kann man auf der Website der armenischen Bahn Tickets sowohl von Eriwan nach Tiflis als auch von Tiflis nach Eriwan mit bis zu 40 Tagen Vorlauf buchen.

Vorplatz und Gebäude des Einkaufszentrums
Versteckt in einem hässlichen Einkaufszentrum: der Hauptbahnhof von Tiflis

In Tbilisi sind die Ticketschalter im dritten Stock des Einkaufszentrums über den Bahngleisen. Man muss hier eine Nummer ziehen, warten und bekommt dann einen Schalter zugewiesen. Das Personal hier spricht englisch.

In Eriwan ist der Ticketschalter im Saal am Ende der Eingangshalle auf der rechten Seite. Dort gibt es immer einen Mitarbeiter, der auch englisch spricht. Außerdem gibt es einen Bildschirm, auf dem die Abfahrten der nächsten Tage und die Preise für die einzelnen Buchungsklassen angezeigt werden.

Ticketschalter am Bahnhof in Eriwan
Ticketschalter am Bahnhof in Eriwan

Wann fährt der Zug?

Im Sommer fährt der Nachtzug täglich zwischen Tiflis und Eriwan (und umgekehrt), zur Hauptferienzeit fährt er sogar ab bzw. bis Batumi ans Schwarze Meer.

Zwischen Oktober und Mai verkehrt der Zug alle zwei Tage: An ungeraden Tagen (1., 3. usw.) von Tiflis nach Eriwan und an geraden Tagen in der Gegenrichtung von Eriwan nach Tiflis.

Die Abfahrt in Tbilisi erfolgt um 20:20 Uhr, die Ankunft in Yerevan ist um 6:55 Uhr.

In der Gegenrichtung verlässt der Nachtzug Eriwan um 21:30 Uhr, die Ankunft in Tiflis ist um 7:35 Uhr.

Damit ist der Nachtzug also etwa 10,5 Stunden für eine Strecke unterwegs. Auf der Straße sind beide Städte nur rund 280 Kilometer sind. voneinander entfernt. Der Zug fährt in Armenien jedoch noch großzügige (Knaller-Wortspiel!) Umwege und bleibt hin und wieder mal ein Weilchen stehen. Und natürlich muss man sich auch Zeit für die Grenzkontrollen lassen.

Offene Tür des Zuges am Bahnsteig in der Morgendämmerung
Alles aussteigen, bitte!

Was für Fahrkarten bzw. Buchungsklassen gibt es?

Für die Buchung stehen drei Klassen zur Auswahl:

Erste Klasse (Spalnyy), Zweite Klasse (Kupyny) und Dritte Klasse (Platskartny). Im Oktober standen dabei zwei Waggons mit Abteilen der Ersten, drei mit Abteilen der Zweiten und ein Waggon mit Abteilen der Dritten Klasse zur Verfügung.

Im Sommer sollte man sich seine Fahrkarten daher sicherlich ein paar Tage im Voraus sichern, bei mir hat es ausgereicht, drei Stunden vor Abfahrt am Bahnhof zu sein – und selbst dann war das 4er-Abteil der Zweiten Klasse nur mit mir und einem weiteren Fahrgast belegt.

Tischchen und Sitzbank des Zweite-Klasse-Abteils
Die Leselampe ist an, noch ist niemand da

Erste Klasse (Spalnyy)

Die Erste Klasse bietet Zweier-Abteile an. Im Prinzip sind diese aber auch nur ausgestattet wie die Abteile der Zweiten Klasse, nur dass die oberen Betten fehlen. Wenn man zu zweit reist, ist das wahrscheinlich eine gute Option, für Alleinreisende sehe ich keinen großen Mehrwert.

Offenbar bekommt man in der Ersten Klasse auch noch ein kleines Päckchen mit Papierslippern, Zahnbürste und Zahnpasta. Außerdem gibt es einen kleinen Fernseher.

Blick von außen ins Erste-Klasse-Abteil des Nachtzuges Tiflis - Eriwan
Blick von außen in die Erste Klasse

Zweite Klasse (Kupyny)

Die Zweite Klasse besteht aus abschließbaren Vierer-Abteilen. Die Betten sind bei der Abfahrt (ebenso wie in der Ersten Klasse) hoch- und der Tisch am Fenster heruntergeklappt. Da später noch Grenzkontrollen anstehen, sollte man sich allerdings noch nicht sofort schlafen legen.

Blick in das Zweite-Klasse-Abteil des Nachtzuges Tiflis Eriwan
Licht aus im Abteil der zweiten Klasse

Dritte Klasse (Platskartny)

Durch die Dritte Klasse bin ich einmal durchgelaufen. Hier gibt es keine geschlossenen Abteile, sondern die Liegen sind zum Gang hin offen. Privatsphäre gibt es hier nicht. Ich hatte vorher noch überlegt, für die Rückfahrt die dritte Klasse zu nutzen, aber bei einem Preisunterschied von nur wenigen Euro habe ich dann doch darauf verzichtet.

Für Radfahrer könnte die Dritte Klasse allerdings eine Option sein. Auf der Rückfahrt waren zwei Radfahrer dabei, die ihre Räder zwar umständlich durch den gesamten Waggon schleppen mussten, sie dann aber immerhin ganz am Ende des letzten Waggons abstellen konnten.

Blick von außen in die Dritte Klasse des Nachtzuges Tiflis - Eriwan
Blick von außen in die Dritte Klasse

Was kostet die Fahrt im Nachtzug zwischen Tiflis und Eriwan?

Für die Fahrt in der Zweiten Klasse habe ich auf der Hinfahrt 117,45 Lari bezahlt, das sind ungefähr 43 Euro.

Wenn man bedenkt, dass ich so auch noch eine Hotelübernachtung gespart habe, ein echtes Schnäppchen – insbesondere, wenn ich in Eriwan hätte übernachten wollen.

In Eriwan waren dann die Fahrpreise zusammen mit den Zügen der nächsten Tage ausgewiesen. Demnach ergibt sich ein Preisvorteil nur, wenn man 10 bis 14 Tage im Voraus bucht. Hier die Preisübersicht aus dem Oktober / November 2022:

Erste Klasse: 24.125 – 26.185 Dram (ca. 57,90 – 62,80 Euro)

Zweite Klasse: 15.655 – 17.065 Dram (ca. 37,60 – 41,00 Euro)

Dritte Klasse: 11.995 – 13.155 Dram (ca. 28,80- 31,60 Euro)

Anzeigetafel mit Preisen und Abfahrtzeiten in Eriwan
Abfahrt des Nachtzuges – alle zwei Tage

Und wie ist die Fahrt im Nachtzug von Tiflis nach Eriwan?

Seefahrt auf Schienen

Es ruckelt, rattert und poltert unterwegs ziemlich – da schneidet die Deutsche Bahn im internationalen Vergleich der Schieneninfrastruktur gar nicht so schlecht ab. In Armenien wird die Fahrt gefühlt noch unruhiger. Wer schnell seekrank wird, könnte hier gerade im Liegen möglicherweise Probleme bekommen.

Mir gefällt das Geruckel aber ganz gut, ich konnte gut dabei schlafen.

Was auf die Dauer allerdings ziemlich nervt, wenn man ein Anteil an Ende des Waggons erwischt hat: Die Türen zwischen den Waggons geben beim Öffnen immer einen pfeifenden Warnton ab. Und irgendwie sind eine Menge Leute zwischen den Waggons unterwegs. Warum auch immer.

Armenisches Wappen an der Außenseite eines Waggons
Waggons der armenischen Staatsbahn

Umständliche Grenzkontrollen

An der Grenze müssen alle auf der georgischen Seite erstmal für die Passkontrolle an kleinen Containerbüros auf dem Bahnsteig aussteigen. Die armenischen Grenzbeamten kommen nach der Weiterfahrt in den Abteilen vorbei und fragen, ob man etwas zu verzollen hat, kontrollieren die Pässe und verteilen die nötigen Einreisestempel. Diese Grenzkontrollen ziehen sich etwas, so dass ich erst nach Mitternacht mein Bett herunterklappen kann.

Heruntergeklappte Liegen in der Zweiten Klasse des Nachtzuges Tiflis - Eriwan
Der Weg ins obere Bett ist mit etwas Klettern verbunden

Auf der Fahrt von Eriwan nach Tiflis wird man übrigens um 3:45 Uhr von den armenischen Grenzern aus dem Schlaf gerissen. Auf armenischer Seite werden wieder direkt im Zug die Pässe kontrolliert und gestempelt, dann erfolgt die Fahrt bis zum ersten Bahnhof auf georgischer Seite. Erst kommt der Zoll und stellt ein paar Fragen, dann geht es raus in den Regen zur Passkontrolle auf dem Bahnsteig und anschließend wird im Zug nochmal kontrolliert, ob sich auch jeder seinen Stempel abgeholt hat. Weiterfahrt um kurz nach sechs Uhr – bleiben noch 1 3/4 Stunden Schlaf bis zum Wecken kurz vor Ankunft.

Aufgrund dieser Unterbrechung mitten in der Nacht ist die Fahrt von Tiflis nach Eriwan deutlich angenehmer als in der Gegenrichtung.

Wartender Zug am Bahnsteig bei den Grenzkontrollen
Passkontrolle auf dem Bahnsteig

Die Schlafsituation im Nachtzug

Im den von der Waggonbegleiterin ausgegebenen, eingeschweißten Paket sind enthalten: Ein kleines Handtuch, ein Bettlaken, ein Überzug für das Kopfkissen und ein einfaches Laken. Einmal hätte ich mir mitten in der Nacht ein bisschen dickeres Laken oder eine Decke gewünscht, aber das war insgesamt okay.

Kissen in der oberen Ablage im Nachtzug Tiflis Eriwan
Obere Gepäckablage – vor der Abfahrt liegen hier noch die Kissen

Ich schlafe tatsächlich relativ gut. Von der Länge her passen die Liegen in Rückenlage schätzungsweise für Menschen bis 1,85 Meter Körpergröße gut, danach liegen die Fersen wohl unangenehm auf dem Metallenden der Liege. Allzu breit sind die Liegen nicht, aber man fällt schon nicht heraus – bei den oberen Betten sind auch noch Schutzbügel befestigt.

Alle die dann noch nicht wach sind, werden übrigens etwa 40 Minuten vor der Ankunft von den Waggonbegleitern geweckt. Tipp: Wer duschen, Zähne putzen oder einfach nur auf die Toilette möchte, sollte das vorher schon erledigt haben, da sich nun Schlangen an den diesbezüglichen Örtlichkeiten bilden.

Liege mit Bettzeug im Nachtzug von Tiflis nach Eriwan
Angenehme Nachtruhe

Die Ausstattung des Zuges

Gibt es WLAN an Bord?

WLAN gibt es angeblich auch – aber wie bei der Deutschen Bahn funktioniert das auch zwischen Georgien und Armenien nicht.

Korridor im Nachtzug Tiflis Eriwan
Es ist nicht der Orientexpress, dafür haben aber alle überlebt

Wie sieht es aus mit Dusche und WC?

Es gibt zwei WCs je Waggon – eins kombiniert mit einem Wickeltisch, eines mit einer Dusche. Die waren bei der Abfahrt des Zuges auch sehr sauber.

Toilette und Duschkabine im Nachtzug Tiflis Eriwan
Eine Dusche pro Waggon

Gibt es einen Speisewagen?

Nein. Man sollte sich also Verpflegung mitbringen.

In Tiflis habe ich im Bahnhofs-Einkaufszentrum keinen Supermarkt gefunden, aber auf der obersten Ebene gibt es einen Foodcourt, wo man noch ein Abendessen vor der Abfahrt des Zuges bekommt.

In Eriwan gibt es im Untergeschoss ein paar Stände, an denen man Snacks bekommt und wenn man die Bahnhofshalle linksherum verlässt, findet man auch einen Supermarkt.

Blick auf leere Sitze und durch eine Scheibe auf einen kleinen Garten mit Säulengang
Abends in der leeren Bahnhofshalle in Eriwan

Was gibt es sonst so an Bord?

Jede Liege hat eine Steckdose, Ablagefächer und ein Leselicht. An den unteren Betten in der Zweiten Klasse und in der Ersten Klasse gibt es kleine Safes (versteckt hinter den Kopflehnen) – ein Laptop passt da nicht hinein.

Am von den Toiletten entgegengesetzten Ende des Waggons gibt es noch einen Wasserspender mit heißem und kalten Wasser, um sich Getränke zuzubereiten.

Was sieht man unterwegs?

Absolut nichts – zumindest, wenn man wie ich Mitte Oktober fährt. Dann ist es sowohl bei der Abfahrt in Tiflis als auch bei der Ankunft in Eriwan einfach dunkel. Erst nach der Ankunft wurde es langsam hell.

Auf der Fahrt in der Gegenrichtung von Eriwan nach Tiflis bekommt man morgens zumindest die Vororte von Tiflis und viele Industriegebiete zu sehen. 

Blick aus dem Zugfenster auf Tiflis
Einfahrt nach Tiflis am nächsten Morgen

Ankunft in Eriwan

Im Gegensatz zum hässlichen Betonbau des Einkaufszentrums, in dem der Bahnhof in Eriwan versteckt ist, hat Eriwan echte Bahnhofsarchitektur zu bieten. Kathedralen-artig wirkt die imposante Empfangshalle, in stalinistischer Protzarchitektur im Jahr 1956 erbaut.

Zur Zeit ist die Strecke nach Tiflis die einzige, die von der armenischen Bahn bedient wird. Entsprechend leer und überdimensioniert wirkt die Bahnhofshalle eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit.

In der Empfangshalle hat man übrigens kostenloses WLAN und es gibt einen Geldautomaten. Im Untergeschoss führt ein Gang zur Metrostation „Sasuntsi David“, mit der man ins Stadtzentrum kommt.

Fazit: Der Nachtzug Tiflis – Eriwan 

Die Fahrt ist absolut empfehlenswert. Man spart sich nicht nur eine Hotelübernachtung, sondern auch noch die Zeit für eine sechsstündige Überlandfahrt am Tage – und das zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis (zumindest für unsere mitteleuropäischen Verhältnisse).

In meinem Zug waren einige Familien mit Kindern unterwegs, für die die Fahrt so sicher auch angenehmer war als die – zugegebenermaßen deutlich günstigere – Fahrt in engen Kleinbussen.

Blaue Loks
Uralte Loks ziehen den Zug durch die Nacht