Ankunft in Addis Abeba

Ich hatte es ja schon angedeutet, mit Addis Abeba habe ich mich nicht so recht anfreunden können. Dabei war die Ankunft noch sehr angenehm. Auf dem Flug mit Ethiopian Airways hatte ich über Nacht in einer eigenen 3er-Reihe etwas schlafen können und konnte auch im Hotel morgens schon einchecken und noch etwas Schlaf nachholen.

Meine sonstige Gewohnheit, Städte einfach zu Fuß zu erkunden und mich treiben zu lassen, wollte im weitläufigen Addis Abeba nicht so richtig funktionieren. Dadurch habe ich wahrscheinlich die größten Sehenswürdigkeiten und positiven Seiten einfach verpasst, aber zumindest einen ersten Eindruck von der Stadt bekommen: Hektischer Verkehr, große Straßen, schlechte Luft und – neben Hochhäusern und allem geschäftlichen Trubel einer Großstadt – Armut mit vielen Versehrten und Wellblechhütten bestimmen das Stadtbild.

Straßenszene in Addis Abeba
Addis Abeba – eine funktionale Großstadt

Warum ich eigentlich nichts von der Stadt gesehen habe

Ich lief von meinem Hotel aus die Churchill Avenue herunter, um die Stadt Richtung Bahnhof zu erkunden, als sich mir von links jemand näherte und mir eine Doppelseite in einer Zeitschrift zu zeigen. Auf amharisch.

Warum zeigt er mir das, fragte ich mich, er dürfte doch wissen, dass ich das nicht lesen kann. Noch während dieses Gedanken näherte sich ein zweiter junger Mann von rechts und umfasste mein Handgelenk. Intuitiv wusste ich, dass das keine freundliche oder zufällige Aktion war und riss mich los und ging ein, zwei Schritte zurück und prallte so auf einen dritten Mann, der offensichtlich zu den beiden anderen gehörte.

Großer trostloser Platz
Der Meskel Square im Zentrum von Addis Abeba

In diesem Moment wurde mir dann sofort klar, dass die Zeitschrift nur der Tarnung dienen sollte, um ungesehen nach meinen iPhone in der linken Hosentasche greifen zu können, während ich rechts durch das Anfassen abgelenkt bin. Der dritte Mann hätte mich wahrscheinlich festhalten sollen. Aber während ich noch überlegte, wie ich mich mit dieser Situation umgehen sollte, griff eine Passantin ein und schrie die drei Männer an. Keine Ahnung, was sie ihnen sagte, aber es klang nicht freundlich. Mich schickte sie auf englisch mit dem Hinweis, dass es hier nicht sicher sei, auf die andere Straßenseite.

Dort setzte ich dann meinen Spaziergang zügig fort. Doch nur ein paar hundert Meter weiter fühlte ich mich auf einem größeren Platz auffällig unauffällig von einem Mann beobachtet. Das iPhone in der Hosentasche zu haben, schien mir nun eine ganz schlechte Idee. Also behielt ich diesen Mann und mein Umfeld im Auge. Ohne den vorherigen Diebstahlsversuch wäre mir die Anordnung wahrscheinlich gar nicht aufgefallen.

Straßenszene mit Obelisken
Von 1974 bis 1991 hatte Äthiopien ein kommunistisches Regime – der Stern auf dem Obelisken erinnert noch daran

So konnte ich aber verfolgen, wie sich mir wieder eine Dreiergruppe aus unterschiedlichen Richtungen auffällig unauffällig zu nähern versuchte. Und es fühlte sich nicht danach an, dass hier ein freundliches Gespräch Ziel der Annäherung gewesen wäre.

Was also tun? Auf der Stelle umkehren? Einfach weitergehen? Auf einer nahen Verkehrsinsel stand ein Polizeiwagen, also habe ich die Straße dorthin überquert und bin dort stehengeblieben und habe mich demonstrativ nach dem Trio umgesehen. Das reichte offensichtlich, um die potentiellen iPhone-Interessenten abzuschrecken.

Kleine Kirche irgendwo in Addis Abeba
Kleine Kirche irgendwo in Addis Abeba

Die Folgen

Ich kann natürlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob diese zweite Annäherung das Ziel eines schnellen Überfalls bzw. Diebstahls hatte, aber ich hatte eben ein sehr ungutes Gefühl und wollte es nicht darauf ankommen lassen.

Die Folge war, dass ich mich in Addis Abeba nicht mehr so sicher fühlte. Fotos habe ich kaum noch gemacht und wenn, dann nur, wenn niemand in der Nähe war. Ständig habe ich mich unauffällig umgesehen (der Klassiker mit verspiegelten Fensterscheiben!), habe häufiger als sonst die Straßenseiten gewechselt und bin bei Bedarf langsamer gegangen oder an Geschäften stehengeblieben, um Männer passieren zu lassen.

Gelbes Bahnhofsgebäude
Der Bahnhof von Addis Abeba

Kurzum: Das war kein entspannter Stadtspaziergang mehr, sondern eine ständige 360-Grad-Überwachung meines Umfeldes. Das macht natürlich keinen Spaß. Es bereitete mir regelrecht schlechte Laune, mich dabei zu erwischen, anderen Menschen plötzlich immer erstmal böse Absichten zu unterstellen.

Aber es war auch eine Erinnerung daran, wie privilegiert ich ansonsten als Mann durchs Leben gehen kann. Da mache ich mir keine Gedanken, ob mir im jemand folgt, mich anstarrt oder ob ich lieber nicht im Dunkeln einen Park durchqueren sollte.

Den Rest des Tages habe ich dann lieber im Hotel verbracht. Aber da konnte man immerhin durch die schmutzigen Scheiben auch ein bisschen das Treiben auf der Straße beobachten.

Blick aus dem Hotelzimmerfenster auf eine große Straße und die Stadt
Room with a view

Unterkünfte in Addis Abeba

Eliana Hotel
Business-Hotel in der Innenstadt, in der man auch morgens schon einchecken kann.
Churchill Avenue, Addis Abeba

Bagy Hotel and Resort (*)
Anständiges Hotel in Flughafennähe mit Shuttle-Service.
Bole Sub City Africa Avenue, Addis Abeba

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