Organisierte Touristen-Tour

Organisierte Touren mit anderen Reisenden versuche ich ja immer so gut wie möglich zu vermeiden, um wirklich nur das zu sehen, was mich interessiert und um an diesen Orten dann auch so viel Zeit verbringen zu können, wie ich möchte.

In Armenien war das so nicht möglich.

Die Kloster Khor Virap und Noravank sind mit Marshrutkas von Eriwan aus nicht erreichbar – zumindest nicht so, dass man sie ohne längere Fußmärsche und an einem Tag hätte besuchen können. Daher habe ich mich bei den zahlreichen Anbietern rund um den Platz der Republik in Eriwan umgeschaut und mich dann für eine Tour entschieden, die diese beiden Klöster sowie einen unvermeidlichen Besuch einer Weinkellerei und einer Höhle beinhaltete – letzteres erwies sich dann durchaus als sehr interessant.

Plakat an einem Minivan mit zahlreichen Angeboten für Tagestouren
Tourenangebote von Eriwan aus

Die Reisegruppe, so stellte sich am Tag nach der Buchung (Kosten: 10.000 Dram, ca. 25 Euro) heraus, bestand neben mir noch aus einem finnischen Ehepaar und dem Fahrer des Wagens, der nur ein paar Worte englisch sprach – und das nur höchst widerwillig. Wenn die Landschaft in Armenien nicht so absolut unfinnisch wäre, das hätte das Ausgangsmaterial für ein Mika Kaurismäki-Roadmovie sein können.

So wurde es eine angenehm ruhige Tour mit tatsächlich genug Zeit an den einzelnen Sehenswürdigkeiten.

Blick aus dem Seitenfenster eines Autos in ein Bergtal voraus
Beeindruckende Landschaft im Südwesten Armeniens

Kloster Khor Virap

Das Kloster Khor Virap (oder auch: Chor Wirap; zu deutsch: „tiefes Verlies“) hatte ich vorher auf zahlreichen Fotos sehr pittoresk mit dem schneebedeckten Mount Ararat im Hintergrund gesehen – ein bisschen so wie die Dreifaltigkeitskirche im georgischen Kazbegi.

Klosteranlage inklusive Mauern im Dunst
Klosterkomplex Khor Virap – ohne Dunst wäre es schöner

Die Realität war dann doch sehr enttäuschend. Statt einer großartigen Aussicht war es ziemlich diesig. Die Berge am Horizont konnte man nur erahnen. Auf diesem Foto sind sie auch nur dank etwas digitaler Nachbearbeitung so „gut“ zu erkennen.

Blaues Fernglas im Vordergrund, Berge kaum erkennbar im Hintergrund
Da hilft auch kein Fernglas: Mount Ararat im Dunst

Der Klosterkomplex nahe der unpassierbaren türkischen Grenze ist zwar ganz nett, scheint aber eher von der Nähe zu Eriwan (rund 40 Kilometer) und der schönen Fotos mit dem Bergpanorama im Hintergrund zu profitieren. Diese Werbefotos sind allerdings auch extra mit Drohnen aufgenommen worden.

Ein halbstündiger Stop am Klosterkomplex aus dem 17. Jahrhundert reicht also völlig aus, um sich die Kirche und eine Kapelle anzuschauen und auf den Hügel daneben zu klettern, um das Ganze von oben zu fotografieren.

Klosterkirche Khor Virap von außen
Die Klosterkirche Khor Virap

Bedeutung hat Khor Virap, weil der Legende zufolge hier der Heilige Gregor der Erleuchter im Jahr 288 für 13 Jahre in ein Verlies gesperrt wurde, um ihn vom christlichen Glauben abzubringen.

Hat nicht geklappt. Stattdessen überzeugte der Erleuchter König Trat III., heilte ihn von einer Krankheit und tja, erleuchtete ihn dermaßen, dass Armenien im Jahr 301 als erstes Land weltweit das Christentum als Staatsreligion annahm.

Weinproben und Kellerei-Besuch

Die Tour Richtung Novarank führt auf der E117 nahe der Grenze zur aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan entlang. Da der Konflikt um Bergkarabach ja immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Aserbaidschan und Armenien mündet, sind hier direkt an der Straße Sandwälle aufgeschüttet, die geschätzt alle 200 Meter mit Autoreifen zu – derzeit unbemannten – Sicherheit- und Beobachtungsposten ausgebaut sind.

Kleiner Weingarten mit Amphoren als Dekoration
Verwunschener Garten mit allerlei Früchten

Landschaftlich ist die Gegend hier eher steinwüstenartig. Aber immer wieder finden sich darin Weinanbaugebiete. Auf unserer Tour haben wir zunächst bei einer Familie im Garten deren Säfte und selbstgemachte Weine probiert, dann ging es in die Areni Winery, eigenen Angaben zufolge die größte Weinkellerei Armeniens.

Der größte Teil der Produktion ist für den Export nach Russland bestimmt, der Rest wird in Armenien verkauft.

Seit 1994 wird hier Wein gekeltert und 30.000 Touristen jährlich bei Weinproben verköstigt und durch den Weinkeller mit tausenden Flaschen und zig Fässern geführt.

Ich hatte zwar keine Lust auf eine solche Weinprobe, deren eigentliches Ziel es natürlich ist, nebenbei noch ein paar Flaschen Wein zu verkaufen, aber aus Höflichkeit habe ich dann mitgetrunken. Man lässt Finnen schließlich nicht mit Alkohol alleine. Und da Wegschütten ja Verschwendung wäre, habe ich die – offenbar nicht sonderlich schweren – Weine natürlich auch alle getrunken und nicht ausgespuckt. Nur den Birnenwein habe ich unauffällig entsorgt.

vier Weinflaschen, dafür ein Glas Rotwein von einer Hand gehalten
Der trockene Rote war ganz okay

Kloster Noravank

Hinter Areni wird die Landschaft spektakulär, wenn es in die rot-braune Schlucht des Flusses Amaghu mit seiner nur sporadischen, anspruchslosen Vegetation geht.

Hier wartet dann auf 1.500 Metern Höhe auf einem Berg das Kloster Noravank (oder auch Norawank; zu deutsch: „neues Kloster“) – das Highlight dieser Tour und seit Jahren auf der Warteliste der UNSECO, um zum Weltkulturerbe ernannt zu werden.

Blick über eine dürre Felslandschaft eines Tales
Fotos können die Landschaft rund um das Kloster leider nur bedingt einfangen

Das Kloster hat gleich zwei Kirchen zu bieten: die die Kirche Surb Karapet aus dem 13. Jahrhundert und die Mausoleumskirche Surb Astvatsatsin aus dem 14. Jahrhundert.

Beide Kirchen sind im Laufe der Jahrhunderte mehrfach (wie schon Vorgängerbauten aus dem 9. und 10. Jahrhundert) durch Erdbeben teilweise zerstört worden. Wie viele Gotteshäuser in Armenien und Georgien wurden auch diese beiden erst in den 1990er Jahren wieder renoviert.

Klosterkirche vor einer Felswand, Tauben fliegen auf den Betrachter zu
Wie von John Wood inszeniert: Surb Karapet des Klosters Noravank

Insbesondere der Tambour der Surb Astvatsatsin mit seinen Säulen wurde nach der Renovierung als „Fantasie-Rekonstruktion“ kritisiert. Ich habe mich daran nicht gestört. Im Gegensatz beispielsweise zur Dresdner Frauenkirche fällt es hier weniger auf, dass hier vieles neu gebaut wurde.

Zwei Kapellen vor Felslandschaft
Die Kapellen des Klosters Noravank

Möglicherweise habe ich mich da aber auch durch die umgebende Landschaft und die zahlreichen Ornamente an den Kirchen ablenken lassen.

Wer hier mit dem eigenen (Miet-) Auto anreist, sollte vielleicht noch ein bisschen mehr Zeit einplanen, um in der Gegend zu wandern und so von höheren Aussichtspunkten einen besseren Blick auf die Klosteranlage werfen zu können.

Kleines Haus aus Natursteinen
Tiny Houses waren in Armenien schon immer in

Im Areni-1 Cave

Quasi auf der Rückfahrt nach Eriwan haben wir noch am Areni-1 Cave (Eintritt: 1.000 Dram, ca. 2,40 Euro) halt gemacht. Wie der Name schon verrät, gibt es in den Klippen nahe des Ortes Areni mehr als nur eine Höhle.

Diese ist aber wirklich etwas besonderes. Hier wurden nicht nur die Überreste von Menschen aus der Kupfersteinzeit (so ungefähr 5700 bis 6250 vor unserer Zeitrechnung) gefunden, sondern auch der älteste Schuh (jetzt ausgestellt im Historischen Museum in Eriwan) der Welt.

Eingang zu einer Höhle in einer Steilwand
Eingang zum Areni-1 Cave

Seit etwa 15 Jahren wird die Höhle systematisch erforscht, wovon auch die in Planquadraten gespannten und beschrifteten Schnüre im Inneren zeugen. So fühlt es sich an, als würde man mitten in eine nur mal eben unterbrochene archäologische Ausgrabung hineinplatzen.

Neben der steinzeitlichen Besiedelung wurde die sogenannte Vogelhöhle auch im Mittelalter (nochmal) bewohnt, wie die Funde zeigen. Das Mikroklima der Höhle hat es ermöglicht, dass zahlreiche Überreste von Pflanzen und Früchten in Vorratstöpfen gut erhalten geblieben sind.

Ausgrabungsstätte abgesteckt mit Schnüren und Markierungen
Systematische Erforschung der Ausgrabungsstätte

Da auch noch eine Weinpresse gefunden wurde, ließ sich nachweisen, dass in Armenien seit mindestens 6.000 Jahren Wein angebaut und gekeltert wurde.

Fazit: Lohnt sich die Tagestour zu den Klöstern?

Ja, auf jeden Fall. Khor Virap wäre sicher bei besserem Wetter bzw. weniger Dunst mit dem Ausblick auf den Mount Ararat deutlich beeindruckender, aber die Lage von Noravank gleicht auch das aus. Die Kombination dieser beiden Klöster auf einer Tour kann ich also absolut empfehlen.

Kloster Tatev ganz im Süden Armeniens wird zwar oft auch noch in Kombination mit Khor Virap und Noravank angeboten, aber die Fahrt dorthin dauert zu lange für einen Tagesausflug, bei dem man nicht nur im Auto sitzen möchte. Hierfür empfehle ich, extra nur nach Tatev zu fahren.

Vulkanische Gesteinsformation mit würfelartiger Ausprägung
Gesteinsformation in der Vogelhöhle