Wo die Ermordung von Menschen industrialisiert wurde

Auschwitz ist wahrscheinlich das bekannteste der deutschen Vernichtungslager und das Symbol des Holocaust. Schätzungsweise 1,1 Millionen Menschen wurden hier zwischen 1940 und 1945 ermordet.

Bei meinem Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Majdanek haben mich ja vor allem die Videos und Schautafeln mit Berichten von Überlebenden berührt.

In Auschwitz-Birkenau ist dieser Aspekt bei einer Führung über das Gelände etwas in den Hintergrund getreten. Stattdessen wird hier die perverse Perfektion des Massenmords sehr deutlich.

Stacheldrahtzaun, Wachturm und Baracke im Hintergrund, im Vordergrund Warnschild
Lagergrenze von Auschwitz I

Wie heißt es denn nun? Auschwitz oder Auschwitz-Birkenau?

Beides. Das, was heute auch als Stammlager Auschwitz I bezeichnet wird, basierte auf einer polnischen Kaserne aus Vorkriegszeiten. Rund um dieses Lager wurden dann die Bewohner vertrieben und die Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, um hier ungestört das Unwesen treiben zu können – natürlich nicht, ohne das schönste Haus für den Kommandanten Rudolf Höß auf dem Gelände des Lagers stehen zu lassen.

Blick auf mehrere Backsteingebäude und Bäume im Sonnenschein
Ehemalige Kasernen wurden zu Gefangenenlagern

Auschwitz (polnisch: „Oświęcim“) wurde als Standort des Konzentrationslagers gewählt, weil es verkehrsgünstig an den Haupteisenbahnlinien Richtung Warschau und Breslau (und weiter nach Berlin) im Norden, Budapest und Prag im Süden sowie Richtung Krakau im Osten lag.

1941 wurde das Stammlager dann durch den Komplex Auschwitz II oder auch Auschwitz-Birkenau, drei Kilometer vom Stammlager entfernt nahe des Dorfes Brzezina (dt. „Birkenau“) angelegt.

Und dann gab es ein paar Kilometer östlich noch Auschwitz III oder Auschwitz-Monowitz – ein Lager, was ausschließlich für Zwangsarbeiter der IG Farben genutzt wurde.

Was gibt es bei der Führung zu sehen?

Die Führung beginnt im Stammlager und geht dann auf das Gelände von Auschwitz-Birkenau.

Tor mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei"
Das berüchtigte Eingangstor zum Konzentrationslager Auschwitz

Stammlager Auschwitz I

Start ist dabei am berühmt-berüchtigten Eingangstor zum Konzentrationslager Auschwitz mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“. Im Gegensatz zum Komplex in Birkenau wurde Auschwitz I von der fliehenden SS im Januar 1945 kaum zerstört. Dementsprechend sind hier viele Gebäude nahezu original erhalten geblieben und werden jetzt zum größten Teil für Ausstellungen zu bestimmten Themengebieten des Konzentrationslagers genutzt, wie u.a. für die Opfer bestimmter Nationalitäten.

Als besonders eindrucksvoll – und das heißt auch hier wieder: erschütternd – habe ich eine Wand mit Fotos von Opfern empfunden. Jeweils nur die Fotos, die bei der Aufnahme ins Lager gemacht wurden mit Aufnahmedatum, Todesdatum und einer Berufsbezeichnung. Davon gab es in einem Gebäude hunderte. Unvorstellbar, welche Fläche Fotos von allen 1,1 Millionen Opfern, des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau einnehmen würden. Diese Zahl wirkt einfach sehr abstrakt. Das sind mehr Menschen als 15 mal ins Berliner Olympiastadion passen würden – und das sind dann nur die Opfer in Auschwitz.

Große Räume voller Schuhe, Koffer, Schüsseln und Töpfe sowie der Haare von Opfern lassen das Ausmaß des Vernichtung auch nur erahnen.

Bild von unzähligen Tassen Tellern und Kannen
Mitgebracht in der Hoffnung auf ein Weiterleben

Besichtigt wird bei der Führung auch der sogenannte Hungerbunker. Ein Gefängsnistrakt, in dem nach jedem Ausbruchsversuch für jeden Flüchtenden zehn andere Lagerinsassen ausgesucht und ohne Wasser und Nahrung eingesperrt wurden, bis sie verhungerten bzw. verdursteten.

Auch auf die medizinischen Experimente, die Josef Mengele und andere SS-Ärzte an Häftlingen durchführten, wird hier eingegangen.

Den Abschluss im Stammlager bildet die „kleine“ Gaskammer und das Krematorium. Im Vergleich zu Auschwitz-Birkenau sind hier nur „wenige“ Menschen getötet wurden. Zynischerweise wurde hier eher mit Zyklon B „experimentiert“, um es dann im Vernichtungslager in großem Maßstab umzusetzen.

Blick auf zwei Verbrennungsöfen
Das „kleine“ Krematorium im Stammlager

Auschwitz-Birkenau

Nach knapp zwei Stunden Führung fährt man mit einem Shuttlebus nach Auschwitz-Birkenau.

Hier befindet sich auch das bekannte Eingangsgebäude, durch das die Bahngleise bis aufs Gelände führen.

Turm mit Durchfahrt für die Züge, die Eisenbahnstrecke ist vor dem Tor von Blumen überwuchert
Das Eingangstor zum Lager Auschwitz-Birkenau

Dieser Teil des Konzentrationslagers wurde einzig zu einem Zweck errichtet: der Ermordung von Menschen. Etwa 900.000 Menschen – vor allem Juden, aber auch Sinti und Roma, Polen und Homosexuelle – wurden direkt nach der Ankunft der Züge auf dem Bahnsteig von SS-Ärzten wie Vieh begutachtet und entweder als arbeitsfähig eingestuft oder „selektiert“ und innerhalb kürzester Zeit getötet.

Metallgitter und Mauerreste
Überreste einer unterirdischen Gaskammer

Die vier großen unterirdischen Gaskammern, die mit elektrischen Fahrstühlen mit den ebenerdigen Krematorien verbunden waren, wurden von der SS vor ihrem Abzug gesprengt, um Beweise für die Massenmorde zu beseitigen – trotz aller möglicherweise auch ideologischen Verblendung, war ihnen also doch klar, welches Unrecht sie hier begangen haben.

Ruine des Krematoriums, am Horizont steht ein achturm
Eines der gesprengten Krematorien

In jeder Gaskammer konnten zeitgleich bis zu 2.000 Menschen getötet werden. Die Effizienz, mit der hier getötet wurde, wird vor Ort etwas anschaulicher, bleibt aber trotzdem unfassbar. Denn hier wurde ja ein kompletter industrieller Prozess der Tötung durchgeführt: Wie bei Schlachtvieh wurden hauptsächlich Juden aus dem gesamten von Deutschland besetzten Europa in Eisenbahnwaggons antransportiert und dann in streng geregelten Abläufen getötet.

Selbst die Baracken für die Zwangsarbeiter waren genormt. Ursprünglich waren sie als Pferdeställe geplant und wurden genormt und vorgefertigt angeliefert und hier aufgebaut.

Die meisten wurden nach dem Krieg hier abgebaut und u.a. im nahezu komplett zerstörten Warschau als Notunterkünfte genutzt. So sieht man hier meist nur noch die Grundmauern und Schornsteine.

Blick auf gemauerte Zwischenwände und Betten, die sich mehrere Insassen teilen mussten
In den Baracken von Auschwitz-Birkenau

Übrig geblieben sind ein paar steinerne Gebäude, unter anderem eine Unterkunft, in der Frauen gefangen gehalten wurden, die nicht mehr arbeitsfähig waren. Sie wurden hier nahezu ohne Nahrung eingesperrt, bis das Gebäude voll war und sie auf einmal vergast wurden.

Insgesamt waren rund 6.500 SS-Leute in Auschwitz im Einsatz. Von ihnen wurden in der Bundesrepublik lediglich 29 und in der DDR 22 verurteilt.

Aufschrift: "Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis etwa anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas. Auschwitz-Birkenau 1940-1945"
Erinnerungstafel in Auschwitz-Birkenau – die tafeln stehen da in allen Sprachen der Opfer

Quick Facts zur Gedenkstätte Auschwitz

Öffnungszeiten
Die Öffnungszeiten sind abhängig von der Jahreszeit und hier einsehbar.
In den Sommermonaten ist die Gedenkstätte von 8 bis 19 Uhr geöffnet.

Führungen
Man kann die dreieinhalb-stündigen Führungen (oder auch „one day study tours“) auf der offiziellen Website der Gedenkstätte Auschwitz in vielen Sprachen reservieren. Auch der Zutritt für Besucher, die auf eigene Faust das Gelände erkunden wollen und sich die Ausstellungen in den Baracken anschauen möchten, ist beschränkt – eine kostenfreie vorherige Reservierung ist auch hier nötig.

Eintritt
Besichtigung ohne Guide: kostenfrei
3,5-std. Führung: 75 Złoty (ca. 17 Euro)
One day study tour: 115 Złoty (ca. 26 Euro)

Weitere Informationen
Jede Menge Informationen zu Auschwitz gibt es auch auf der Website der Gedenkstätte.

Eines der Gebäude in der Nahaufnahme
Eine der Gebäude auf dem Gelände des Stammlagers

Wie kommt man mit Bus und Bahn nach Auschwitz?

Von Kattowitz aus fahren über den Tag verteilt (mit einer Lücke zwischen 8:24 Uhr und 11:33 Uhr) mehrere Lokalzüge direkt nach Oświęcim (Fahrtdauer: ca. 50 Minuten).

Von Krakau aus gehen ebenfalls Direktzüge etwa alle anderthalb Stunden in knapp zwei Stunden nach Oświęcim.

Busverbindungen gibt es bestimmt auch – die sind mir allerdings nicht bekannt.