Als das Ruhrgebiet am Äquator lag

Es gibt das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum eigentlich nur, weil das Ruhrgebiet mal am Äquator lag. Das ist natürlich schon eine Weile her – das muss noch vor der Gustloff gewesen sein.

Arbeitskleidung in Körben und an Haken
Die Arbeitskleidung wie üblich sauber aufgehängt

Wie Kohle entsteht

Die ganze Kohle im Ruhrgebiet basiert auf verwesenden Pflanzen, die hier vor 300 Millionen Jahren auf dem Superkontinent Pangäa reichlich wuchsen. Wie genau der Inkohlungsprozess vor sich ging – das erfährt man im ersten Teil der Ausstellung im Bergbau-Museum. Da habe ich ehrlicherweise auch nicht genug aufgepasst, um das jetzt im Detail wiederzugeben. Irgendwie geht es um Verwesung, Sümpfe, Vertorfung, Druck und dann Erdverschiebungen, so dass die Kohlenflöze heute nicht horizontal liegen, sondern wie Gebirge aufgefaltet sind.

Visualisierung mit Drähten: Die Stollen und Schächte im Bergbau
Visualisierung mit Drähten: Die Stollen und Schächte im Bergbau

Mich interessieren ja mehr die gesellschaftlichen und städtebaulichen Veränderungen, die mit der Industrialisierung einsetzten – und da bin ich im Bergbaumuseum voll auf meine Kosten gekommen. Aber auch sinnloses Wissen kann man sich dort aneignen:

Benzol ist beispielsweise eines der Nebenprodukte, die man aus Kohle gewinnen kann. Und die Benzol-Verkaufsvereinigung hat ihrer Marke Aral das bekannte Logo in blau und weiß gestalten lassen, da dies die Farben der Stadt Bochum waren.

Wie das Ruhrgebiet als Industriegebiet entstand

Aber zurück zu den Veränderungen im Ruhrgebiet. Mir war nicht so klar -obwohl es natürlich absolut offensichtlich ist -, dass das Ruhrgebiet vor 1840 eine beschauliche, landwirtschaftlich genutzte Region war.

Besonders der Vergleich dreier Landkarten von 1840, 1930 und 1970 hatten es mir angetan, auf denen man die Verstädterung der Region anschaulich nachverfolgen kann. Auf den Karten von 1840 sind beispielsweise die mittelalterlichen Stadtkerne von Bochum oder Dortmund noch gut erkennbar, während diese 1970 nur noch beim genauen Hinsehen auszumachen sind.

Karte Ruhrgebiet 1840
Karte Ruhrgebiet 1840
Karte Ruhrgebiet 1930
Karte Ruhrgebiet 1930
Karte Ruhrgebiet 1970
Karte Ruhrgebiet 1970

Alles wurde in der Zwischenzeit auf den Abbau, Transport und die Verarbeitung von Kohle ausgerichtet. Vor allem Eisenbahnstrecken und Schiffskanäle beeinflussten im 19. Jahrhundert die Entwicklung von Siedlungen und Verkehrsströmen. 

Das Leben im Kohlerevier

Hochinteressant ist auch der Ausstellungsteil zum Leben in den Bergarbeitersiedlungen und natürlich zur Arbeit unter Tage. Hierzu gibt es zahlreiche Interview-Ausschnitt mit ehemaligen Bergleuten.

Dabei spielen auch die Berufskrankheiten eine große Rolle: Staublungen und die Zitterkrankheit durch Nervenschädigungen in Folge der Nutzung von Handbohrern.

Ausstellungsstücke und eine Fotowand zum Alltagsleben der Bergleute
Alltagsleben der Bergleute

Viel Raum nimmt auch der Niedergang des Bergbaus ein. Die Proteste der Kumpels, die schrittweise Schließung von Zechen seit den 50er Jahren, als klar war, das der Abbau von Kohle deutlich teurer ist als der Import von Erdöl. Die letzte Zeche wurde schließlich Ende 2018 geschlossen.

Aber damit ist natürlich das Kapitel Bergbau im Ruhrgebiet noch lange nicht geschlossen. Es gibt schließlich noch die sogenannten Ewigkeitsschäden. Bodenabsenkungen müssen vermieden und Grubenwasser ständig abgepumpt werden, um eine Vermischung mit dem Grundwasser zu vermeiden.

Ansicht der Arbeitskleidung und Helme
Arbeitskleidung im Museum – mit verschiedenen Helmen je nach Funktion

Weitere Themenbereiche im Bergbau-Museum

Im Salzbergwerk Wieliczka spielte ja auch unter Tage Kunst eine große Rolle. Und wenn ein Arbeitsbereich dermaßen im Alltag einer Region präsent ist, spiegelt sich das natürlich auch in der Kunst wider.

Dementsprechend gibt es auch jede Menge Gemälde und Skulpturen zu diesem Thema, die das Deutsche Bergbau-Museum zusammengetragen und ausgestellt hat.

Ansicht mehrerer Gemälde zum Thema Bergbau
Das ist Kunst

Außerdem gibt es eine Ausstellung namens „Naturschätze“ – Erze, Gesteine, Öle. Irgendwie alles, was sich abbauen lässt. Alles schön erklärt – aber Geologie ist echt nicht mein Steckenpferd und wahrscheinlich war ich hier dann auch schon zu erschöpft, um das Ganze ausreichend zu würdigen. Und irgendwelche Steine in Glaskästen sind auch nicht unbedingt das, was mich glücklich macht.

Im Lehrbergwerk

Das Bergbau-Museum wurde schon 1930 gegründet. Dazu gehört auch ein Lehrbergwerk im 25 Metern Tiefe, das man im Rahmen einer Führung besuchen kann.

Diese etwa 40-minütige Führung kann ich sehr empfehlen. Natürlich bekommt man hier auch viele Informationen, die auch in den oberirdischen Ausstellungen zu finden sind, aber das Ganze wirkt hinter der Erde natürlich gleich viel nachhaltiger.

Ansicht mehrerer Bohrer
Bohrersammlung

Aus heutiger Sicht undenkbar sind die Arbeitsbedingungen – wobei die Temperaturen von 45 bis 60 Grad in bis zu 1.500 Metern Tiefe noch das geringste Problem waren. Neben dem Kohlenstaub und der schon erwähnten Zitterkrankheit war auch der Lärm der Maschinen und Bohrhämmer ein Problem. Trotz einer Lärmbelastung von 105 Dezibel war ein Ohrschutz erst ab den 1980er Jahren verpflichtend.

Um 1900 betrug die Lebenserwartung eines Bergmanns nur 45 Jahre – das besserte sich zwar im Laufe der Zeit, aber gesund war das nie.

Plastikpferd mit Möhre im Maul in einer Pferdebox
Das letzte Grubenpferd hieß Tobias

Zu edlen hatten auch die Grubenpferde, die jahrelang unter Tage Kohlenwagen gezogen haben. 1913 waren hier über 8.000 Pferde „beschäftigt“. Aus Tierschutzgründen wurden seit 1966 keine Pferde mehr eingesetzt – ein Rentnerleben über Tage war ihnen allerdings auch nicht vergönnt, da einige Pferde, die man nach oben transportiert hatte, im ungewohnten Sonnenlicht erblindeten. Der Rest wurde dann geschlachtet. Das letzte Grubenpferd hier übrigens Tobias.

Beeindruckend ist auch, wie sich der Kohleabbau technisch entwickelte. Angeblich brachte der Beginn des Zweiten Weltkriegs einen technischen Innovationsschub. Der Abbau mit großen Maschinen machte eine Vielzahl von Bergleuten überflüssig – die man nun als Soldaten einsetzen konnte.

Walzenschrämmaschine und er Seitenansicht
Zuletzt wurde nahezu vollautomatisch Kohle abgebaut

Fördergerüst

Seit 1973 steht auf dem Gelände des Bergbau-Museums auch ein echter Förderturm, der bei Schließung der Schachtanlage Germania in Dortmund abgebaut und hier in Bochum wieder aufgebaut wurde.

Man kann auch auf den Turm fahren – bei meinem Besuch war er allerdings wegen eines Sturms geschlossen.

Bergbaumuseum mit Förderturm

Quick Facts zum Bergbau-Museum

Anreise

Vom Hauptbahnhof Bochum kommt man bequem mit der U35 zum Bergbau-Museum.

Öffnungszeiten

Di-Fr, 8:30 – 17:00 Uhr
Sa-So, 10:00 – 17:00 Uhr
Montag ist Ruhetag

Für die Führungen muss man sich vorher telefonisch (+49 234 5877-126) anmelden. Weitere Infos gibt es auf der Website des Museums.

Großer Bohrer in einem Stollen
Irgendein Bohrer

Eintritt

Erwachsene: 10 Euro
Kinder (ab 6 Jahre), Jugendliche, Studierende: 5 Euro

Bergwerks-Führung: 3 Euro

Noch bis mindestens Ende September hat das Bergbau-Museum in Bochum die Aktion „Zahl Watte willst“ – jeder Besucher kann so selbst bestimmen, was ihm der Besuch wert ist.

Selfie des Autors im Spiegel mit der Aufschrift "Er ist für meine Sicherheit verantwortlich"
Im Museum gilt Maskenpflicht – sicher ist sicher