Rugby in Tiflis – warum das denn?
Ich war für insgesamt drei Wochen in Georgien und Armenien unterwegs und zufällig gerade an einem Freitag in Tiflis, an dem auch Rugby gespielt wurde. Nachdem ich ja schon bei der Rugby-WM in Japan und für Länderspiele in Paris war (und im Herbst ein Toulouse und Marseille sein werde), wollte ich mal sehen was sich so in Georgien tut – in der erste Liga, der „Didi 10“.
Ist Rugby in Georgien eine große Sache?
Oh, ja. Die Spieler bei den Clubs in der Didi 10 sind zwar in der Mehrzahl „nur“ Halbprofis, Rugby ist hier aber durchaus eine Karriere-Option. Immerhin spielen aktuell knapp 80 Georgier in den französischen Profi-Ligen; der Großteil davon sind die eher kompakten und schwergewichtigen Erste-Reihe-Stürmer. Kleine dicke Georgier sind also in gewisser Weise ein Exportschlager.
Dass gerade französische Clubs auf Georgier setzen, hängt damit zusammen, dass ein Franzose Anfang der 1990er Jahre beim Aufbau der georgischen Nationalmannschaft deren Trainer war. Nach zwei erfolglosen Anläufen hat sich Georgien seit 2003 für alle Rugby Union-Weltmeisterschaften qualifizieren können und ist mittlerweile das mit Abstand beste europäische Team, das nicht am Six Nations-Turnier der Allerbesten teilnehmen darf.
Welchen Stellenwert Rugby in Georgien hat zeigt auch, dass dieses Freitagabendspiel live im Fernsehen übertragen wird.
Um welches Spiel geht es?
Lelo Tbilisi gegen Kharebi Rustavi. Es ist so etwas wie ein Derby, da Rustavi nur knapp eine Stunde Fahrtzeit südöstlich von Tiflis liegt.
Die Lelos sind bis zu diesem Spiel Anfang Oktober in der Liga ungeschlagen. Zu Hause gab es zuletzt ein 25:25 gegen AIA Kutaisi. Die Erwartungen an die Heimmannschaft sind somit hoch – die Tabellenführung winkt.
3.000 Zuschauer passen in das ganz schmucke Lelo-Stadion im Stadtteil Didi Digomi im Nordwesten von Tiflis, das eingezwängt zwischen mehr oder weniger in die Jahre gekommenen Hochhäusern liegt. Aber der Eintritt ist frei und vielleicht lockt das ja auch den einen oder anderen Anwohner, zumindest mal kurz vorbeizuschauen.
Die Haupttribüne und kleine Gegengerade sind vielleicht zu einem Drittel gefüllt. Unter den Zuschauern sind auffällig viele Kinder und Jugendliche, die offensichtlich selbst im Verein spielen.
Wer oder was sind die Lelos?
Das mit den Lelos ist etwas verwirrend. Es ist nämlich so etwas wie ein Rugby-spezifisches georgisches Dreifach-Teekesselchen.
Die Lelos sind erstens die Spieler des Teams aus Tiflis, zweitens ist es der Spitzname des Nationalteams und drittens die georgische Bezeichnung für einen Versuch oder Try.
Außerdem lässt sich der Name auf den traditionellen georgischen Sport Lelo Burti zurückführen, bei dem die Männer zweier Dörfer gegeneinander antraten, um einen schweren ballartigen Gegenstand (z.B. einen Kürbis) über ein Spielfeld (z.B. von einem Fluss zum nächsten) zu bewegen.
Und wie lief das Spiel?
Erste Halbzeit
Zunächst einmal hat sich das Spiel auf dem schon recht ramponierten Rasen verzögert. Ein Hund hatte eine offene Tür genutzt und sich über so viele Mitspieler auf dem Feld gefreut. Er war dabei sehr agil und wendig, den bemühten Spielern gelingt es nicht, ihn zu tackeln, daher muss er schließlich mit gutem Zureden zurück hinter die Bande gelockt werden.
Die Gastgeber gehen nach dem Anpfiff schnell 3:0 und mit einem Versuch 8:3 in Führung. Die Stimmung ist gut, doch nach einer verpassten Erhöhung dreht sich das Spiel. Tiflis ist defensiv zu nachlässig und verspielt den Ball in der eigenen Hälfte immer wieder leichtfertig. Plötzlich führen die Gäste mit 8:18.
Ich sitze auf der Haupttribüne direkt vor der verglasten Trainerkabine und kann sagen: Dort war man mit dem Spiel nicht ganz zufrieden. Da übernimmt der Nachwuchs auf der Tribüne die Initiative und versucht das Team mit „Lelo, Lelo“-Rufen zu unterstützen. Ein bisschen scheint das zu helfen.
Endlich einmal gelingt, das Spiel schnell nach rechts zu verlagern. Die Folge: Ein Versuch für die Lelos und mit einem erfolgreichen Erhöhungskick steht es nur noch 15:18.
Kharebi Rustavi holt sich dank eines Straftritts vor der Pause noch drei Punkte, so dass es beim Stand von 15:21 erstmal in die Kabinen geht.
Zweite Halbzeit
Um an dieser Stelle noch ein paar Sportreporter-Floskeln unterzubringen: Die Lelos kamen nach dem Pausentee besser ins Spiel, offenbar hatte die Halbzeitansprache des Trainers gewirkt.
Ein schneller Versuch (mit Erhöhung), ein weiterer erfolgreicher Straftritt: Plötzlich führt Lelo Tbilisi nach 48 Minuten mit 25:21 und ist zudem nach einer gelben Karte für die Gäste für zehn Minuten in Überzahl – es ist also alles für einen souveränen Heimsieg bereitet.
Doch dann passiert außer ein paar spektakulären Tackles erstmal nicht viel. Bis in der 70. Minute die Gäste einen Versuch legen, den Erhöhungskick verwandeln und so wieder mit 25:28 führen.
Von den Lelos kommt nichts mehr. Sie können sich in den letzten zehn Minuten einfach nicht mehr aus der eigenen 22er-Zone befreien. So steht dann die erste Niederlage der Saison fest, Rustavi siegt nicht unverdient, wenn auch knapp.
Fazit
Ich habe da in Tiflis ein sehr unterhaltsames, passorientiertes Spiel gesehen, bei dem beide Teams lieber in den Kontakt gegangen sind als langweilig lange Kicks weit in die gegnerische Hälfte zu spielen. Das hat Spaß gemacht und die lange Fahrt durch die halbe Stadt im überfüllten Bus hat sich gelohnt.
Wo erfährt man, wer wann in Georgien spielt?
Auf flashscore.de kann man zumindest die Tabelle, Ergebnisse und Spielansetzungen der Didi 10 bekommen. In welchem Stadion die Spiele dann jeweils stattfinden muss man sich noch ergoogelt.
Lelo Tbilisi spielt im eigenen Stadion an der Ioane Petritsi Street 10. Aus der Innenstadt (z.B. von der Metro-Station Rustaveli) kommt man mit dem Bus 314 direkt dorthin. Das Stadion ist dann hinter ein paar Hochhäusern versteckt, aber bei Abendspielen sieht man schon das Flutlicht.