Warum ausgerechnet in die rumänische Hauptstadt?
Ich habe im Oktober 2018 – rund um den 3. Oktober, um mal wieder einen Urlaubstag zu sparen – einen 5-tägigen Kurztrip nach Bukarest, Tiraspol und Chişinău gemacht, da ich den äußersten Ostzipfel Europas noch gar nicht kannte.
Neugierde war somit wieder der Hauptreisegrund. Was diese Städte touristisch zu bieten haben, wusste ich vorher nicht. Ich wollte einfach wissen, wie es in den Ländern und Städten, die bei uns medial eher selten in einem positiven Licht erscheinen, so ist.
Was also hat Bukarest zu bieten?
Vorausschicken muss ich natürlich, dass man Bukarest nicht in anderthalb Tagen vollständig besichtigen oder kennenlernen kann. Die folgenden Sehenswürdigkeiten sind somit nur die Highlights. Für Museen beispielsweise blieb mir keine Zeit – das kommt dann beim nächsten Besuch.
Alter Glanz – das Paris des Ostens
Irgendwann soll sich Bukarest mal den Titel des „Paris des Ostens“ erworben haben. Das muss allerdings lange her sein.
An der einen oder anderen Straßenecke oder auf großen Hauptstraßen kann man den alten Glanz Bukarests aber tatsächlich noch erahnen und fühlt sich tatsächlich an Paris erinnert.
Die beeindruckendsten Gebäude aus der „guten alten Zeit“ sind dabei für mich der Triumphbogen aus den 1930er Jahren sowie das Athenaeum, die Konzerthalle mit der schönen Kuppel.
Die Kirchen in Bukarest
Auch ein paar hübsche Kirchen hat Bukarest zu bieten. Dazu gehört die kleine Stavropoleos-Kirche aus dem frühen 18. Jahrhundert ebenso wie die Alte Hofkirche, die in ihrer ursprünglichen Form aus dem 16. Jahrhundert stammt und damit das älteste Gebäude der Stadt ist.
Stavropoleos-Kirche Die Alte Hofkirche
Das kommunistische Erbe
Gebäude mit Geschichte
Auf dem Balkon des Gebäudes des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei hielt der Diktator Nicolae Ceaușescu am 22. Dezember 1989 seine letzte Rede, bevor er mit dem Hubschrauber floh, als die aufgebrachte Menge das Gebäude stürmte. Drei Tage später wurde Ceaușescu nach einem Schnellverfahren vor einem Militärgericht des Völkermordes und der Schädigung der Volkswirtschaft schuldig gesprochen und erschossen.
Heute ist in dem Gebäude das Innenministerium untergebracht – mit Blick auf den Platz der Revolution.
Der Boulevard Unirii
Nachhaltig beeindruckt hat mich die Hässlichkeit des Bulevardul Unirii, dem Boulevard der Einheit, den Ceaușescu in den 1980er Jahren anlegen ließ. Wenn sie gelungen wäre, könnte man hier von einer Prachtstraße sprechen. So aber ist die drei Kilometer lange Straße, die zum Parlamentspalast führt, ein Paradebeispiel für sehr, sehr schlechte Stadtarchitektur.
Die Idee für den „Boulevard des Sieges des Sozialismus“ bekam der rumänische Diktator übrigens nach einem Besuch in Pjöngjang. Für den Boulevard, der sogar einen Meter breiter ist als die Avenue des Champs-Élysées, wurden große Teile der alten Bausubstanz Bukarests abgerissen, darunter Dutzende Kirchen und Klöster.
Die Randbebauung des Bulevardul Unirii besteht aus mehrstöckigen grauen Wohnhäusern, die offenbar repräsentativ wirken sollten. Mit der Coca Cola-Reklame auf dem Dach wirken sie heute noch lächerlicher.
Der Parlamentspalast
Fixpunkt des Boulevards ist der schon erwähnte Parlamentspalast (rumänisch: Palatul Parlamentului). Er ist nach dem Pentagon das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt.
Ich war beim Anblick hin und hergerissen zwischen Abscheu und Bewunderung, noch Anfang der 1980er Jahre ein solches Monstrum bauen zu lassen. Wikipedia führt ein paar interessante Zahlen zu diesem Gebäude auf: Insgesamt 1.000.000 Kubikmeter Marmor und 900.000 Kubikmeter Holz wurden hier verbaut. Im Inneren finden sich 480 Kronleuchter, 150.000 Glühlampen und 200.000 Quadratmeter gold- und silberbestickte Brokatvorhänge.
Die bebaute Fläche beträgt 365.000 Quadratmeter – genug Platz also, um heute neben der rumänischen Abgeordnetenkammer und dem Senat auch noch ein Konferenzzentrum und das Nationalmuseum für moderne Kunst unterzubringen.
Blocul Tehnoimport
Eher zufällig bin ich an meinem Lieblingsgebäude in Bukarest vorbeigekommen, dem Blocul Tehnoimport, einem runden Wohnturm aus dem Jahr 1935.
Seine besten Zeiten hat dieses Gebäude auch schon lange hinter sich, aber seine Form und Funktionalität haben mich sofort begeistert.
Der Verfall ist allgegenwärtig
Die modernen Gebäude können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bukarest auch im Innenstadtbereich an vielen Stellen verfällt.
Manchmal sind es nur Balkone, die man besser nicht mehr betritt, manchmal sind ganze Häuser abgesperrt. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Bukarest wieder im alten (oder ganz neuen) Glanz erstrahlt.
Das moderne Bukarest
Am Lipscani-Viertel mitten in Bukarest kann man die Geschichte der Stadt besonders gut erkennen. Nach einem großen Erdbeben 1977 sind hier viele alte Gebäude abgerissen worden und durch Betonbauten ersetzt worden. Zum Teil bleiben aber Baulücken bestehen, die erst in den vergangenen Jahren durch Neubauten geschlossen wurden.
In der Gegend sind jetzt viele Cafés und Restaurants und Teile des Viertels eine Fußgängerzone. Das ist vielleicht aktuell der schönste Stadtteil Bukarests mit der einen oder anderen alten Einkaufspassage, die so langsam wieder mit Leben gefüllt wird, wie zum Beispiel der Pasajul Macca-Vilacrosse mit seinem schönen gelben Glasdach.
Cafés und kleine Geschäfte in der Macca-Vilacrosse-Passage Schöne Straßenecke im Viertel Lipscani
Fazit: Lohnt sich eine Reise nach Bukarest?
Ich meine: Ja, Bukarest lohnt sich. Zumindest für alle, die Städtereisen und den Charme Osteuropas mögen. Hier spürt man zwar deutlich, dass Rumänien in der wirtschaftlichen Entwicklung noch hinter beispielsweise Polen zurück liegt.
Mir hat aber gerade diese Mischung aus Moderne, verfallenden ehemals glanzvollen Gebäuden und den architektonischen Hässlichkeiten der Ceaușescu-Ära sehr gut gefallen. Das macht Bukarest zum perfekten Reiseziel, wenn es mal etwas anderes sein soll. Man muss ja nicht gleich seinen Jahresurlaub dort verbringen.