Wie ich in Wismar ein Faible für Kirchen entwickelte

Städte, die es auf die Liste des Welterbes der UNESCO schaffen, finden in der Regel auch meinen Gefallen. Das war neulich schon in Lübeck so, und auch Wismar ist hier keine Ausnahme. Seit 2002 gehört die Altstadt (zusammen mit Stralsund) dem exklusiven Welterbe-Klub an. 

Besonders ist hier, dass sich der mittelalterliche Grundriss der Stadt bis heute bewahrt hat, zumal Wismar im 30-Jährigen Krieg schon 1632 von schwedischen Truppen besetzt wurde und dann bis 1803 zu Schweden gehörte.

Unbekanntes Gebäude am Mühlenbach

Ein Fun Fact noch vorweg: Rudolf Karstadt eröffnete 1881 in Wismar sein erstes „Tuch-, Manufaktur- und Confections­geschäft“. Für die damalige Zeit war das Konzept mit festen, niedrigen Preisen und ausschließlich Barzahlung neu. Heute firmiert auch der Stammsitz nur noch unter „Galeria Karstadt Kaufhof“.

Doch was sind die Highlights der Stadt an der Ostsee?

St. Nikolaikirche 

Die Tür im Vordergrund führt zu den Gewölben des Seitenschiffs

In der Nikolaikirche bin ich eher zufällig in eine, der alle halbe Stunde stattfindenden, Gewölbeführungen geraten. Und das war wieder mal ein Erweckungserlebnis – zumindest architektonischer Art.

Nach St. Marien in Lübeck ist die Nikolaikirche mit 37 Metern im mittleren Kirchenschiff der zweithöchste Sakralbau der Backsteingotik, habe ich hier gelernt. Die Führung geht allerdings ins Dachgeschoss eines der Seitenschiffe, die „nur“ halb so hoch sind.

Von einzelnen Sicherungsmaßnahmen mit Stahlschrauben abgesehen, ist hier noch der 600 Jahre alte Originaldachstuhl zu bewundern. Die Konstruktion und die Verarbeitung sind absolut bemerkenswert. Und die Gewölbemauerung ist ein Wunder der Statik. Die Wölbungen tragen sich selbst und sind jeweils nur 7,5 Zentimeter dick – genau die Hälfe einer Backsteinbreite.

Insgesamt – so genau hat das wohl nie jemand gezählt oder geschätzt – wurden drei bis fünf Millionen Backsteine in der Nikolaikirche verbaut. Für besondere Haltbarkeit sorgte dabei auch der Muschelkalk im Mörtel.

Dem Kirchturm hat das allerdings nicht genutzt. Er bracht in einem Orkan 1703 ab und stürzte auf eines der Seitenschiffe – seitdem wirkt der Turm der Nikolaikirche auch etwas stummelig.

St. Marien-Forum

Nur der Turm der ehemaligen Marienkirche steht noch

Die Marienkirche wurde – im Gegensatz zur Nikolaikirche – im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Zu DDR-Zeiten wurde dann der Überrest des Kirchenschiffs gesprengt und der Turm nur stehengelassen, da er angeblich für die Seefahrt als Orientierungspunkt diente.

Auf dem jetzt St. Marien-Forum genannten Platz des alten Kirchenschiffs sind einzelne „Gucklöcher“ auf die Grundmauern der Kirche installiert und die Standorte der Säulen und der Grundriss der Kirche durch niedrige Mauern gekennzeichnet.

Im Turm gibt es einen sehr informativen 3D-Animationsfilm (Eintritt: 3 Euro) mit dem albernen Titel „Bruno Backstein“ zu sehen. Mir hat der Film enorm geholfen, eine genauere Vorstellung vom Bau und zur Architektur der gotischen Backsteinkirchen zu bekommen.

Den Erklärtext des Filmes gibt es auch online zum Nachlesen.

St. Georgenkirche

St. Georgen ist innerlich leer

St. Georgen ist nach St. Nikolai und St. Marien die dritte gotische Backsteinkirche in Wismar. Auch sie wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, aber nach der Wende bis 2010 wieder aufgebaut.

Hier besteht das Besondere darin, dass die Kirche nach der Restaurierung noch fast komplett leer ist, da sie angeblich noch weiter austrocknen muss.

Aussicht von St. Georgen

Von der Aussichtsplattform (Eintritt: 3 Euro) ergibt sich leider kein kompletter Ausblick auf Wismar – ein Teil der Altstadt mit dem Marktplatz ist nicht einsehbar, da hier die Kirche selbst „im Weg“ ist. Zu sehen sind aber St. Nikolai, die Heilig-Geist-Kirche, der Alte Hafen sowie Werftanlagen und das Wismarer Hinterland.

Alter Hafen

Der Alte Hafen

Alte Häfen üben ja immer wieder eine gewisse Faszination auf mich aus. Da bildet der Hafen von Wismar keine Ausnahme.

Neben den üblichen Fischkuttern, ein paar kleinen und großen Segelschiffen gibt es auch eine restaurierte Kogge aus dem 14. Jahrhundert, die im Schlamm vor der Insel Pool entdeckt wurde.

Angereichert wird der Hafen von Sehenswürdigkeiten wie dem Thormann-Speicher und dem Baumhaus. Letzteres ist leider kein richtiges Baumhaus, sondern ein Barockgebäude, an dem der Schlagbaum der Hafeneinfahrt bedient wurde.

Hafenrundfahrt

Vom Alten Hafen aus starten alle 30 bis 60 Minuten 1-stündige Hafenrundfahrten (Erwachsene 13,50 Euro, Kinder 8 Euro) durch die Wismarbucht bis vor die unter Naturschutz stehende Insel Walfisch.

Diese Rundfahrt fand ich deshalb so interessant, weil man hier ein anderes Wismar zu sehen bekommt: Das der heute wichtigen Hafen- und Werftwirtschaft.

Im Holzhafen

Neben dem üblichen halbwitzigen Hafenrundfahrtschnack erfährt man doch einiges über die Holz- und Kali-Verladeterminals mit den pittoresken gelb-blauen Kränen von „Kranbau Eberswalde“ oder die verschiedenen  holzverarbeitenden Betriebe, die sich hier angesiedelt haben.

Und natürlich über die wechselvolle Geschichte der MV Werften, deren riesige Halle, in der ein komplettes Kreuzfahrtschiff gebaut wird, nicht zu übersehen ist.

Markplatz

Künstlerisch schief: Links die Schwedenhäuser, rechts die Wasserkunst

Der Marktplatz ist Wismar gilt als der größte Norddeutschlands und ist mit seinen 10.000 Quadratmetern (oder einem Hektar) auch einer der größten Deutschlands.

Sehenswert sind hier alte Schwedenhäuser und die Wasserkunst. Letztere ist ein um 1600 gebauter, durch Rohre mit Quellen verbundener Trinkwasserentnahmeplatz. Heute gilt die Wasserkunst als das Wahrzeichen Wismars.

Heiligen-Geist-Hof

Einsatz für SOKO Wismar

Es gibt offenbar eine ZDF-Serien namens „SOKO Wismar„. Ich kenne die nicht, auch Claudia kennt die nicht.

Einer der regelmäßigen Drehorte ist aber der Heiligen-Geist-Hof, ein wunderbares Ensemble bestehend aus dem Kirchenschiff des Heiligen-Geist-Spitals und gut erhaltenen bzw. renovierten Backsteinbauten.

In jedem Falle eine gute Filmkulisse. 

Essen & Trinken 

Café Sinnenreich
Wunderschön eingerichtetes, gemütliches Café mit kleinen Speisen, Kuchen und Torten direkt an der Nikolaikirche.
Hinter dem Chor 5, Wismar 

Auch Wildschweinen gefällt Wismar