Unterwegs im Norden von La Gomera
Nachdem ich den ersten Tag auf La Gomera in San Sebastián verbracht hatte, wollte ich mit dem Mietwagen zwei Tage lang die Insel erkunden. Wenn man nur wandern möchte, reicht es sicherlich auch aus, mit dem Bus morgens zum jeweiligen Startpunkt zu fahren, aber ich wollte nicht groß wandern, sondern die Insel entdecken und da halten, wo es mir gefällt – und das geht dann mit dem Auto doch besser.
Nationalpark Garajonay
Am Nationalpark Garajonay kommt man auf La Gomera nicht vorbei. Er liegt mit seinen 3.984 Hektar Fläche mitten auf der Insel und alle Straßen führen durch dieses UNESCO-Weltnaturerbe.
Das Klima ist hier sehr angenehm, die Temperaturen liegen hier auf über 1.000 Meter Höhe bei etwa 15 Grad. Ein Nachteil hat der Nationalpark allerdings: Man sieht kaum etwas von der Landschaft. Die feuchten Passatwinde steigen durch die zahlreichen Schluchten La Gomeras auf und so bilden sich oben häufig Wolken.
Los Roques
Am Mirador de los Roques hatte ich allerdings kurzzeitig Glück und konnte die Steinsäulen im Sonnenschein sehen und dabei zuschauen, wie sich sich dann von Wolken umhüllen ließen. Diese Roques sind eigentlich Vulkanschlote gewesen. Die Lava ist allerdings nie bis an die Oberfläche gekommen, sondern in den Schloten erstarrt. Im Laufe der Jahrtausende sind dann durch Erosion nur die härteren Lavasäulen stehen geblieben.
Kurze Wanderung zum Mirador del Morro de Agando
Ein schöner Wanderweg führt vom Mirador de los Roques durch Büsche, Farne, Sträucher und Lorbeerbäume zum Mirador del Morro de Agando, der einer der schönsten Aussichtspunkte La Gomeras sein soll. Ich habe hier nur starken Wind gespürt, Wolken vorbeifliegen sehen und die Feuchtigkeit des „horizontalen Regens“ genossen. Von den Roques war nichts zu erkennen.
Dafür haben diese Wolken im Wald eine sehr eigene Atmosphäre geschaffen. Das Rascheln von Blättern und Ästen, das Vorbeihuschen der nächsten Wolke, das, was in Horrorfilmen künstlich geschaffen werden muss, gibt es hier im Grünen ständig. Besonders beeindruckend ist das im Rückspiegel zu beobachten, wenn kurz hinter dem Auto die Straße wieder in Wolken verschwindet und vor einem nur Stück für Stück sichtbar wird. Dabei fühlte ich mich immer ein bischen wie in einem grünen Tunnel, wenn sich die Baumwipfel von links und rechts über der Straße trafen.
Auf nach Hermigua
Da ich nicht um des Wanderns willen durch die Gegend laufe, sondern um Aussichten zu genießen, habe ich den Weg Richtung Norden eingeschlagen. Erster Stop war dabei das Örtchen Hermigua mit nicht einmal 500 Einwohnern.
Auf den letzten Kilometern schickt mich das Navigationsgerät nicht über die Carretera General sondern über die eigentlich einspurige, schmale Straße durch die Dörfer am Berghang. Eine wunderschöne Strecke. Aber eben eine, bei der ich das Radio ausschalten muss, um nicht abgelenkt zu werden.
Im Tal von Hermigua Das ethnologische Museum – geschlossen
Hermigua hat das weltweit beste Klima, haben Forscher ermittelt. Nach einem Kurzbesuch kann ich das weder bestätigen, noch dementieren. Das Wetter zumindest war gut. Das örtliche ethnologische Museum hat am Wochenende leider geschlossen, daher habe ich mich für Feldforschung bei Kaffee und Kuchen entschieden. In einer Panaderia-Dulceria habe ich dann als Cappuccino einen Kaffee mit viel Schlagsahne bekommen – das hatte ich auch lange nicht mehr.
Die Schmach von Agulo
Etwas weiter im Norden liegt dann Agulo, das mit seinen rund 700 Einwohnern schon einer der größeren Orte auf La Gomera ist. Ich bin allerdings nicht gekommen, um ein bisschen durch die Straßen zu schlendern, sondern um den Aufstieg zum Mirador de Abrante mit 500 Meter Höhenunterschied zu wagen.
Ganz da oben sieht man den Glassteg des Mirador de Abrante Der Weg ist rumpelig, es ist heiß – ich mag nicht mehr
Hier wären 15 Grad genau richtig gewesen. Stattdessen war es sehr sonnig, heiß und meine Kondition war nach Monaten zu Hause auf dem Sofa nicht ausreichend, um meinen inneren Schweinehund in Schach zu halten. Nach zwei Dritteln des steinigen Weges hatte ich einfach keine Lust mehr und bin umgekehrt und stattdessen mit dem Auto einmal um den Berg herum hochgefahren.
Im Nachhinein war das eine gute Entscheidung, denn ich hatte nur eine Flasche Wasser dabei, die bei meiner Ankunft am Mirador aufgebraucht gewesen wäre. Und das Restaurant, das den Zugang zum gläsernen Aussichtssteg bildet, war geschlossen. Und es sah nicht so aus, als würde es so bald wieder öffnen. Das lohnt sich wahrscheinlich erst wieder, wenn größere Reisegruppen kommen.
Das fand ich sehr schade, denn ich hätte den sieben Meter über die Felskante hinausragenden Glassteg gerne betreten. Aber auch so kann man den Blick über Agulo und hinüber nach Teneriffa und zum Teide genießen. Außerdem ist die Landschaft hier oben ziemlich spektakulär. Mit den roten Sandgestein wirkt es hier wie in Australien.
Fast wie in Australien… … nur sieht man dort keine Vulkane
Im schönen Tal
Letzter Stop meines Roadtrips war an diesem Tag Vallehermosa (zu deutsch: „Schönes Tal“), ein kleines Städtchen (2.900 Einwohner), dem Bananen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wohlstand gebracht haben. Viel zu sehen gibt es, abgesehen von einer Kirche aus dem späten 17. Jahrhundert, allerdings nicht. Die Gegend muss man sich wahrscheinlich auch eher im Rahmen einer Wanderung erschließen.
Für mich als Geschichtsfan war am interessantesten, dass Vallehermosa einer der wenigen Orte auf den Kanarischen Inseln war, die sich im Spanischen Bürgerkrieg gegen General Franco stellte. „Die nachfolgende Unterdrückung durch die Siegerpartei stellt eine der dunkelsten Etappen in der Geschichte des Ortes dar“, heißt es vielsagend auf einer Informationstafel.
Auf dem Dorfplatz von Vallehermosa… … und an der Parroquia de San Juan Bautista